Das Wesen des Kabaretts

„Was ist das Wesen des Kabaretts?“ fragte man den österreichischen Kabarettisten und Schauspieler Josef Hader. Er antwortete: „Über die zu schimpfen, die nicht im Raum sind – oder nicht die Mehrheit im Raum sind. Kabarett hat immer ein bisschen was Populistisches. Vor allem schlechtes Kabarett surft auf einer populistischen Welle. Die Haltung ist: Wir stellen uns in den Saal, schimpfen über alle, die nicht da sind und geben ihnen die ganze Schuld. Auf alle Fälle ‚denen da oben‘ und gewissen anderen Randgruppen, Kardinälen zum Beispiel – auf die kann man sich gut einigen. Der schlechte Kabarettist reitet auf der Sau, die gerade durchs Dorf gejagt wird. Der gute hingegen fragt sich: Warum wird gerade jetzt diese Sau durchgejagt?“
So weit Josef Hader.

Was aber ist nun das Wesen von des Kabaretts volkstümlicher Nachfolgerin, der deutschen Comedy?
Sich von der Bühne herab erst über das Publikum zu erheben, um sich gleich darauf wieder mit ihm gemeinzumachen. Nachdem man einen Begrüßungsapplaus dafür entgegengenommen hat, dass man davon leben kann, da oben zu stehen, ohne etwas Ungewöhnliches zu sein, zu leisten oder erlebt zu haben, schildert man das Gewöhnliche, das man tatsächlich erlebt („Meine Freundin braucht immer ewig im Bad!“, „Meistens ist kein Parkplatz frei, wenn ich gern anhalten möchte!“ …) und bekommt dafür Applaus. Nach dem Motto: das kennt ihr doch auch! Da eine Anbiederung noch keine Pointe ist, die einen Lachreflex auslöst, gibt der Comedian das Signal, in dem er das Satzende melodisch wie eine Pointe spricht, eine kurze Sprechpause (bzw. Lach-Pause) macht und erwartungsvoll in die Runde blickt. Die Menschen im Saal sind in der Regel so freundlich und lachen, wie es sich gehört.
Der schlechte Comedian verlässt sich auf diese stille Übereinkunft. Der gute fordert sein Publikum durch die Schilderung einer Geschichte heraus, die es noch nicht erlebt hat. Der gute legt es nicht auf einzustimmendes Kopfnicken an, sondern bietet dem Publikum eine Überlegung an, mit der er ihm nach Möglichkeit zuvorkommt.

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