Raumschiff Enterprise – Fehlersuchbild

In diesem Programmhinweis für den Pfingstmontag sind drei Fehler versteckt.
(Auflösung am Pfingstmontag)

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Endlich wiedergesehen: „Blues Brothers“

Dieser Film ist nicht für mich gemacht, das war mir schon immer bewusst. Dennoch wollte ich einen frischen, möglichst analytischen Blick darauf werfen und den musikalischen Gaststars meine Ehre erweisen.

Zugunsten von „Blues Brothers“ sei gesagt, dass sein Regisseur John Landis einen wirklich tadellosen Job macht: die über den Abend verteilten hochkomplexen Action- und Zerstörungs-Sequenzen sind nie selbstzweckhaft und wirken in ihrer Choreographie ebenso mühelos wie die Musiknummer gegen Ende mit dem greisen Cab Calloway, die den ganzen Film lohnt und die in ewige Sicherheit gebracht zu haben, hoch zu preisen ist. Auch die übrigen Auftritte der Legenden der Black Music sind vergnüglich und voller Spielfreude. Es gibt ein paar großartige Gags. Der schönste: als Ray Charles ein Plakat in seinem Musikaliengeschäft verkehrt herum aufhängt, kann man sich nicht sicher sein, ob er selbst überhaupt jemals davon erfahren hat. Auch Kathleen Freeman (über viele Jahre die Lieblings-Charge von Jerry Lewis) ist als cholerische Nonne Schwester Stigmata ein absolutes Kabinettstück. (Sie lebte und arbeitete lange genug, um den Part zwanzig Jahre später auch in der Fortsetzung zu übernehmen.)
Leider ist die Musik – genau wie Oper, Folk, Rock und andere herrliche Sachen – für mich weder Filmmusik noch das geeignete Material für den Song Score eines Musicals (obwohl sie Zweiterem recht nahe kommt).

Was den Film für mich persönlich endgültig von wahrer Größe abschneidet, ist sein toter Mittelpunkt. Die beiden mimikfreien Rabauken in ihren schwarzen Anzügen gelten – das ist mir wohl bewusst – als „trademarkable icons“ der Hochkomik, bei denen das Gelächter im Saal quasi eingebaut ist. Und sie verlassen sich jederzeit auf diesen Bonus. Selbst angesichts ihrer flotten Tanzeinlagen bin ich wie gelähmt, so fremd ist und bleibt mir diese bierdeckelflache Selbstzufriedenheit. Für mich ist das Jungshumor aus dem vorigen Jahrtausend. Was die musikalischen Verdienste dieser Band angeht, die es ja seit 1970 tatsächlich gab: sie gehen für meine Ohren im Mainstream unter. Aber das ist angesichts eines solchen Aufgebots aus dem „show business heaven“ ja keine Schande.

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Der Science-Fiction-Film – Absicht, Botschaft und Wirkung

Fortsetzung vom 19. April 2024

Die New Yorker Kritikerin, Erzählern und Filmemacherin Susan Sontag (1933-2004) hat in ihrem Essay „Die Katastrophenfantasie“ („The Imagination Of Disaster“, Oktober 1965) das Science-Fiction-Genre vor allem in seiner filmischen Spielart untersucht – und offensichtlich nicht geschätzt (obwohl sie das nicht offen ausspricht). Dieser Auszug aus einer der sachlicheren Passagen ihres Textes, entstand einige Jahre bevor sich das „Disaster Movie“ für kurze Zeit zu einem lukrativen Massenphänomen mausern sollte und – selbstredend – lange vor dem Siegeszug der CGI:

In Science-Fiction-Filmen geht es nicht um Naturwissenschaft. Es geht in ihnen um die Katastrophe und damit um eines der ältesten Themen in der Kunst. Im Science-Fiction-Film wird die Katastrophe nicht intensiv, sondern stets extensiv erlebt. Hier geht es um Originalität und Einfallsreichtum. Das Ganze ist, wenn man so will, eine Frage des Maßstabs. Der Maßstab aber – und das gilt ganz besonders für die farbigen Breitwandfilme (unter denen die des japanischen Regisseurs Inoshiru Honda und des [österreichisch-ungarischen] Amerikaners George Pal die technisch überzeugendsten und visuell faszinierendsten sind) – hebt die Angelegenheit auf eine neue Ebene.
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Die begnadete Nervensäge

betr.: 101. Geburtstag von Jack Laird

Jack Laird war der Mann, den man Rod Serling vor die Nase setzte, als dieser die Früchte seiner Arbeit – der legendären TV-Serie “The Twilight Zone” (1959-64) – genießen wollte, indem er eine weitere, noch glanzvollere Serie schuf – “Rod Serling’s Night Gallery”, die heute vergessen ist.*
Der Sender NBC und das produzierende Studio übertrugen Jack Laird, einem Vertrags-Producer der Universal, die redaktionelle Verantwortung dafür, also das letzte Wort in allen künstlerischen Entscheidungen. So ein Arrangement musste einen verdienten Showrunner und genialen Visionär wie Serling wahnsinnig machen. In den drei Staffeln, über die sich “Night Gallery” hinschleppte, entfremdeten sich der Autor und seine Serie restlos voneinander, und sie blieb die letzte Arbeit vor seinem frühen Tod. Beide Männer sind am Scheitern ihres Produktes jedoch unschuldig, und viel spricht dafür, dass es – vor allem die zweite Staffel ist bemerkenswert – ohne Jack Laird nicht so vielgestaltig und überraschend geraten wäre.

Tom Wright portraitierte Jack Laird auf seinem Ausstellungsstück zur Folge 18 der 2. Staffel „Quoth The Raven“.

Jack Laird legte Wert darauf, das Kind eines Schauspielerpaares zu sein, das ihn auf Gastspielreise in Bombay zur Welt gebracht habe. In Wahrheit stammte er aus einer kalifornischen Kleinstadt. Er war kulturell universal-interessiert und gründete in seiner Schulzeit, obwohl er selbst kein Instrument spielte, eine Jazzband. Sie existierte, bis er in den Zweiten Weltkrieg ziehen musste, seine Musiker verteilten sich auf renommierte Bands.
Nach Kriegsende versuchte Laird es als Schauspieler, brachte es aber hauptsächlich zu diversen Hörspiel-Rollen. Er begann erfolgreich, für das junge Medium Fernsehen zu schreiben. In der Verantwortung die ihm dort übertragen wurde, förderte er junge Darsteller und Regisseure (wie Sydney Pollack) und gab Schauspielunterricht.

Mit der Krankenhausserie “Ben Casey” (1961-66) wurde Laird in der Branche endgültig zum großen Namen. Sein Erfolg ließ ihn zu einen Workoholic mutieren, der zudem zuwenig schlief, zuviel rauchte und sich schlecht ernährte. Parallel dazu ging seine einst sehr glückliche Ehe mit der Schauspielerin Peggy Johnson zu Bruch. Laird verantwortete auch den Hit “Kojak”.

Ähnlich tragisch wie das Schicksal Rod Serlings und das ihrer gemeinsamen Arbeit, war auch das Ende von Jack Laird. Er, dessen Engagement, kreative Phantasie und Professionalität von so vielen seiner Weggefährten geschätzt und gepriesen wurde, verkam zum Zyniker und Menschenfeind, ein Alkoholproblem gesellte sich dazu. Er wurde zum arbeitslosen Einsiedler. Als im Dezember 1991 sein Herz versagte, war er auf dem Weg ins Krankenhaus. Da er seinen Ausweis nicht mitgenommen hatte, verblieb seine anonyme Leiche für Wochen in der dortigen Leichenhalle. Endlich wurde er von seiner längst entfremdeten Tochter identifiziert, die von seinen Nachbarn alarmiert worden war, ihr Vater Mr. Laird sei verschwunden.

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* Zu unrecht, wie sich das gehört. Siehe https://blog.montyarnold.com/2020/04/28/class-of-99/

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Lampenfieber

Lampenfieber war nie ein Problem für mich. Das mag damit zusammenhängen, dass ich mich von meinem ersten Auftritt an viel sicherer vor dem Publikum fühlte als ich es sonst im Leben tat. Und das wiederum hatte neben vielen Gründen den sehr einleuchtenden, dass ich damals noch nicht aus der Pubertät heraus war.
Dazu passt das fachliche Gerücht, das Lampenfieber nähme mit zunehmendem Alter eher zu als dass es durch die wachsende Erfahrung abnähme. Ich werde es persönlich wohl nicht mehr nachprüfen können.
Solcherlei ging mit durch den Kopf, als ich in einem „Zeit“-Interview las, dass auch die Schauspielerin Corinna Harfouch nicht von „Bühnenangst“ geplagt sei: „Aber ich muss vor jeder Vorstellung durch ein Nadelöhr – einen Widerstand von Unmut und Erschöpfung. Man fragt sich, warum muss ich das jetzt machen? Ich bin dann todmüde und will nicht und werde nicht und kann auch nicht! Aber dann geht man raus, und alles ist klar. Die Bühne gibt einem so viele Geschenke, da entsteht ein Leuchten, ein Glückserlebnis, das nirgendwo anders möglich ist. Ich habe mal gehört, dass Marianne Hoppe in ihren letzten Lebensjahren zu jeder Probe von zu Hause abgeholt werden musste. Sie klammerte sich an der Haustür fest und weigerte sich, ins Theater zu kommen. Dann stand sie auf der Bühne – und alles war gut.“

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Die schönsten Filme, die ich kenne (121): „They’ll Love Me When I’m Dead“

betr.: 109. Geburtstag von Orson Welles

Im November 2018 präsentierte der Streaming-Anbieter Netflix seinem Publikum ein Prestige-Produkt, das kaum einem seiner Abonnenten etwas gesagt haben dürfte: „The Other Side Of The Wind“. Es ist der letzte der so vielen unvollendet gebliebenen Filme des genialen Orson Welles, einer Hollywood-Legende alter Schule.

Die Hauptrolle in diesem para-autobiographischen Werk spielt der große Filmregisseur John Huston – eine weitere Symbolfigur des analogen Anti-Netflix-Entertainments. Seit 1975 hatte der chaotische und stets unter Geldmangel leidende Welles an diesem Projekt gearbeitet. Nachdem ihn ein spanischer Zwischenhändler betrogen hatte, war sein Finanzier ausgerechnet eine Firma gewesen, die einem Schwager des Schahs von Persien gehörte. Der fast fertige Film fiel nach der Machtergreifung des Ajatollah in Staatsbesitz und verschwand in einem Tresor in Paris. Welles starb 1985, nachdem er bis zuletzt versucht hatte, eine Freigabe zu erwirken. Danach kämpfte seine letzte Geliebte Oja Kodar weiter. 

Nun ist es Netflix, dem die Ehre zufällt, diesen Film mit seiner finanziellen Unterstützung endlich gerettet und herausgebracht zu haben. Doch nicht nur das! Netflix gab außerdem eine Dokumentation in Auftrag, die seine wechselvolle Entstehungsgeschichte erzählt, eine Vielzahl schillernder Zeitzeugen zu Wort kommen lässt und überdies viele Meter historischen Materials zusammengetragen hat – all das sollte bei einer Doku selbstverständlich sein, doch die Verhältnisse, sie sind bekanntlich längst nicht mehr so.
Nachdem die Welt fast 30 Jahre hat auf „The Other Side Of The Wind“ warten müssen, wird sie nun mit einem Double-Feature entschädigt, das für jeden sehenswert ist, den die Geschichte und die besonderen Gesetzmäßigkeiten Hollywoods – dieses für alle Zeiten untergegangenen Hollywood, in dem der stets unabhängige Orson Welles ein avantgardistischer Fremdkörper gewesen ist – interessieren. Überdies erweist sich Welles hier wie dort – in „The Other Side Of The Wind“ wie auch in Morgan Nevilles „They’ll Love Me When I’m Dead“ – als Vorläufer der heute so beliebten Form der Mockumentary. Wer die (für diesen Regisseur typische) Art bestaunt hat, über Jahre hinweg unchronologisch einzelne Szenen zu produzieren – immer, wenn gerade genug Geld und die benötigten Darsteller verfügbar sind – und diese später zusammenzufügen, der wird am Hauptfilm umso größeres Vergnügen haben. Und auch an „Othello“ (der 1952 auf die nämliche Art zustandekam und es tatsächlich auf die Leinwand geschafft hat). Und auch wen das alles nicht interessiert – wer einfach, sagen wir, Quentin Tarantino mag und sich noch nie gefragt hat, wie unsere Vorfahren wohl Filme gedreht und angeschaut haben – auch der wird sich vermutlich köstlich amüsieren!

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Wenn Comicfiguren in die Jahre kommen

betr.: 119. Geburtstag von Floyd Gottfredson

Es liegt in der Natur der Sache, dass wir Kinder der 70er Jahre nicht wussten, wer unsere Walt-Disney-Comicheftchen zeichnete: oben stand ja immer „Walt Disney’s“ drüber. Es mag tatsächlich Idioten gegeben haben, die glaubten, „Onkel Walt“ zeichne jeden einzelnen Comic selbst. Fest steht: Walt Disney hätte es sehr gefallen, wenn es diese Idioten gegeben hätte …

Die Namen der meisten Disney-Künstler erfuhr ich erst nach und nach ab Mitte der 80er Jahre. Viele kamen kamen aus Italien, wo die Inhalte der „Lustigen Taschenbücher“ entstanden. Ich las in einem Artikel der „Sprechblase“, wie beinharte Fans hinter die Identität des wichtigsten DonaldDuck-Zeichners und -Autors Carl Barks gekommen waren, und auch Gottfredsons Enthüllung im Jahre 1968 war nicht vom Verlag gewünscht. Gottfredson hatte – als eine Art Gegenpart zu Barks und einige Jahre früher – den Comics mit Micky Maus Gestalt verliehen, die als fortlaufende Zeitungs-Strips über Monate hinweg lange Geschichten erzählten. Dem deutschen Publikum wurde dieses Repertoire großformatigen Sammelbänden präsentiert, die den Namen des Zeichners verschwiegen.

Der Gottfredson-Schwung der abenteuerlichen Gründerzeit, wie er 1973 in „Ich, Micky Maus“ Band 1 abgedruckt war.

Gottfredson war es auch gewesen, der auf die Idee gekommen war, Micky als Detektiv arbeiten zu lassen (wenn ihm seine Weltreisen etwas Zeit dafür ließen bzw. wenn irgendwo außerhalb Entenhausens ein Unrecht geschah). Er tat das über so viele Jahre (von 1930 bis 1975), dass sich sein Stil bis zur Unkenntlichkeit veränderte. Die in unserer Fernsehzeitung abgedruckten einseitigen Geschichten, auf die sich Gottfredson ab 1956 zurückzog, waren nicht nur inhaltlich denkbar weit von den historischen Strips entfernt, ich wäre auch nie auf die Idee gekommen, dass sie vom selben Zeichner stammten.
(Carl Barks hingegen hat seinen Strich über Jahrzehnte kaum verändert.)

Der bürgerlich gewordene Mäuserich in der „Bild + Funk“ (irgendwann in den 70er Jahren).

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Das Hitchcock-Quiz – Auflösung

betr.: Rätsel vom 29. April 2024

1. In „The Paradine Case“ und „Strangers On A Train“ trägt Hitchcock bei seinen Cameos Instrumentenkoffer. Auch das seltsam geformte Köfferchen, das er in „Vertigo“ in der Hand hat, wird von mir so eingeordnet.

2. Cary Grant versteckt sich in einem Maisfeld.

3. Mr. Rusk ist Obsthändler.

4. Leo G. Carroll hat mit sechs Einsätzen in einer Nebenrolle die Nase vorn. John Williams kommt zweimal im Kino zum Einsatz und dreimal in Hitchcocks Fernseh-Inszenierungen, wo er jeweils die Hauptrolle spielt. Außerdem war er der Star einer Vielzahl der Hitchcock-TV-Episoden anderer Regisseure.

5. Mit fünf Soundtracks für britische Hitchcock-Filme schlägt Louis Levy die Herren Dimitri Tiomkin und Franz Waxman (je vier Einsätze in den USA).

6. „High Anxiety“ bezieht sich auf „Vertigo“ (also der Höhenkoller auf den Drehschwindel). Die Handlung des Films beginnt in einem Sanatorium, das uns an „Spellbound“ denken lässt.

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Tierhaargespräche

geführt von Monty Arnold

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Endlich wiedergesehen: „Der Schlachter“ von Claude Chabrol

Eine kleine Ortschaft im französischen Périgord. Die junge Lehrerin und Schulleiterin Hélène freundet sich mit dem Schlachter Popaul an, der auf charmante Art um eine Vertiefung ihrer Beziehung wirbt. Die dörfliche Idylle wird erschüttert, als eine Frauenleiche im Wald gefunden wird, und die Leute müssen sich an eine gewisse Polizeipräsenz gewöhnen. Als Hélène auf einem Schulausflug wenig später eine weitere Tote findet, entdeckt sie  bei der Leiche das Feuerzeug, das sie Popaul geschenkt hat. Reflexartig lässt sie das Beweisstück verschwinden. Bald darauf zerstreut sich ihr Verdacht, Popaul könnte der Mörder sein. Doch dabei soll es nicht bleiben …
„Die vollkommene Balance von Form und Inhalt macht den Film zu einem Höhepunkt des französischen Nachkriegskinos.“ (filmdienst)

Rainer Werner Fassbinder hielt nichts von Claude Chabrol. Er räumte aber ein, „Der Schlachter“ sei „ein großer Film, immerhin, da entwickelt Chabrol das einzige Mal aus echten Menschen heraus eine Geschichte. Ach, er entwickelt überhaupt das einzige Mal. Der einzige Film, der dem Zuschauer nicht alles als ohnehin sinnlos und endgültig auf den Kopf haut. Und das tut er sonst in allen Filmen.“
Ich denke nicht, dass ausgerechnet Fassbinder der Richtige ist, Chabrol irgendwelche handwerklichen Vorwürfe zu machen, aber auch mir geht vieles von dem auf die Nerven, was er seinem französischen Kollegen vorwirft. Sein Urteil vom „einzigen Film“ kann ich sehr gut nachvollziehen.
„Der Schlachter“ ist ein Einzelstück im Werk von Claude Chabrol. Seine Figuren sind anmutige soziale Wesen, während dort sonst ein lichtloser Weltekel vorherrscht (der mich zuweilen durchaus an Fassbinder erinnert). Diesmal sehen wir eine bis in das Pianissimo ihrer Hack-Ordnungen, Eitel- und Unzulänglichkeiten ausgeleuchtete funktionierende Dorfgemeinschaft.
Auch das zentrale (unerfüllte) Liebespaar ist bemerkenswert. Der Schlachter Popaul (= Paulchen) wirbt mit redlichem, aber forschem Charme um die elegante, aber zurückhaltende junge Schulleiterin, die auf so selbstbestimmte Art „ihr Ding macht“ (ich hasse diese Formulierung, aber sie trifft es). Als die erhoffte Reaktion ausbleibt, kommt es nicht etwa zu Zickigkeiten oder einer Belästigung, sondern zu einer tiefen platonischen Freundschaft, wie man sie zwischen Mann und Frau selten (und im französischen Kino niemals) zu sehen bekommt. Die Lammkeule, die der Schlachter der Lehrerin in den Unterricht mitbringt, ist wie ein Blumenstrauß eingewickelt. Er scherzt mit den Kindern in dem Klassenzimmer, in dem er früher selbst unterrichtet wurde, und kann auch sonst mit jungen Leuten gut umgehen. Überhaupt kommen die verschiedenen Generationen im Dorf prächtig miteinander aus, was schon bei der Hochzeitsfeier zu Beginn – einem zünftigen Dorffest – deutlich wird.
Eine so intelligent erzählte Idylle ist dem Publikum überhaupt nur zuzumuten, weil im Hintergrund der Thriller durch gelegentliche Gerüchte von grausigen Funden und das Auftauchen eines Ermittlerteams aus der Stadt systematisch vorbereitet wird. Als das Grauen auf einem Wandertag schließlich vollends ausbricht, ist es umso wirkungsvoller.

Manchem Kritiker genügte das nicht. Wilfried Wiegand (im Band 5 der „Reihe Film“ des Hanser Verlags) sieht im Ausbleiben der sexuellen Erfüllung bei den Hauptfiguren einen Makel, der früher oder später zwangsläufig übel mutieren muss. Die unerwiderte Liebe Popauls beschreibt er als „sozialen Krankheitsfall“, Helènes Zurückhaltung als Symptom einer „der eigenen Persönlichkeit entfremdete Charitas“, die eine „arbeitsteilig parzellierte Menschlichkeit“ enthält. Popauls kriegs- und berufsbedingte Veranlagung, Fleisch zu zerschneiden, wird als Gegenmodell zu Helènes Humanitat in Stellung gebracht, doch diese sei auf ihre Weise „ebenso inhuman wie sein Verbrechertum“. Die „kindliche Stufe“, auf der die ganze Dorfgemeinschaft stehengeblieben sei, habe anscheinend auch Helène und Popaul erfasst und in ihre orale Phase zurückgestoßen. Wiegand betont die sozialen Unterschiede der beiden Protagonisten (die für ihn eine unüberwindbare Barriere darstellen), während ich mich über die Echtheit der Zuneigung freue, die ihnen dennoch möglich ist. Die Wärme des Spiels von Stéphane Audran, die ich in ihren üblichen Rollen als verderbte Drachenlady fürchte und meide, ist beeindruckend.

Wie auch immer man dazu stehen mag – Chabrol ist diese Besonderheit seines Films selbst aufgefallen, und er erklärte sie in einem Interview damit, dass das Drehbuch ausnahmsweise nicht von Paul Gégauff stammt. „Er kann innerhalb von zwei Sekunden eine Person völlig lächerlich und hassenswert machen“, klagte der Regisseur. „Er sagt immer, ich sei es gewesen, aber in Wirklichkeit kommt es von ihm“ – „es“ ist der eingangs beschriebene Nihilismus.
Natürlich weiß ich, was ich von einem typischen Chabrol-Film zu erwarten habe, und ich sehe ihn mir sogar deswegen an. Doch der Regisseur ist nicht so versiert, dass es ihm immer gelänge, ein gesundes Gegengewicht zu dieser Groteske aus Tristesse, Morast und Perspektivlosigkeit anzubieten. Was er als Gesellschaftssatire anlegt, läuft zumeist auf einen wüsten Gruselkitsch hinaus, der überdies schlecht altert.
Insofern ist „Der Schlachter“, der letztlich die gleichen Abgründe verhandelt, die Chabrol auch sonst am Herzen liegen, ein Juwel. Er ist „Ein bisschen Sonne im kalten Wasser“ im Kino des Meisters.

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