Welch ein Theater!

betr.: 79.Geburtstag von Jim Henson

Ich bin eines jener Kinder der 70er Jahre, die sich noch an den Start der deutschen „Sesamstraße“ erinnern können. Es wurden noch die synchronisierten Spielszenen der US-Fassung gezeigt, die in der sehr kulissenhaften titelgebenden Straßendeko spielten, in der Herr Huber, Bob, Gordon und Susanne lebten und natürlich Oskar in seiner Mülltonne. Die ersten 100 Folgen habe ich mir brav angeschaut, dann machte ich Pause mit Jim Henson, bis einige Jahre später sein viel wichtigerer Beitrag zum Weltkulturerbe auf unsere Bildschirme kam: „Die Muppet Show“. Sie war auch deshalb hierzulande so sensationell und so wichtig für alle, die sie damals verfolgt haben, weil man als Synchronbuchautor und –regisseur noch enorme kreative Freiheiten hatte, und die wurden von Eberhard Storeck wahrgenommen.
Später – die genannten paradiesischen Zustände hatten sich längst verflüchtigt – hatte ich viele Begegnungen mit TV-Redakteuren der Abteilung Unterhaltung. In sämtlichen (!) dieser Sitzungen, in denen es darum ging, ein neues Format zu erschaffen, träumten alle davon, so etwas wie die „Muppet Show“ zu machen – obwohl es hierzulande an allem mangelte, was dafür notwendig gewesen wäre: die Gagschreiber, die Puppen(bauer), die alles tragende Entertainment-Kultur und nicht zuletzt die vielen Weltstars, die sich im Original die Klinke in die Hand gaben. Was den Amerikanern wiederum fehlte, war die Verzagtheit und Bedenkenträgerei, die sich in unseren Sitzungsräumen bereits machtvoll eingenistet hatte.
Wir machten dann also immer irgendetwas anderes als die „Muppet Show“, etwas ganz anderes …

Als Walt Disney Jim Henson‘s Creature Shop vereinnahmte, war offiziell klar: die deutschen Redaktionssehnsüchte waren kein Einzelfall.
Der Zauber beruhte darauf, dass bis zuletzt etwas von der Atmosphäre der Improvisation erhalten geblieben war, die den ersten TV-Auftritt der Henson-Geschöpfe ausgezeichnet hatte. Jim Henson war 18 und wirkte in einer lokalen Kindersendung mit, 1954 war das. Er war nur ein Teilzeit-Puppenspieler, und es hat ihm sicher geholfen, dass das Fernsehen selbst noch weitaus jünger war als er. Seine erste Innovation bestand darin, dass er für seine Puppen Schaumstoff verwendete. Er war nämlich der Meinung, dass die Intimität TV-Kamera eine beweglichere Mimik erforderte als das Puppenspiel in Theateraufführungen – oder in Sendungen wie „Kukla, Fran And Ollie“, die Henson als junger Zuschauer genossen hatte.
Weiterhin nutzte er die ja nun zur Verfügung stehenden Monitore. Er konnte die Figuren über seinem Kopf agieren lassen und ihr Spiel auf dem Bildschirm verfolgen. Auch darauf war noch niemand gekommen.
Schließlich kam er noch auf die Idee, seine Kreaturen – halb marionette, halb puppetmuppets zu nennen. Der Rest ist Geschichte.

Natürlich liebte ich Fozzie Bär, den zumeist glücklosen Stand Up Comedian (- so hieß das damals bei uns noch nicht). Aber meine Lieblingsfigur, müßte ich eine nennen, wäre Rowlf, der klavierspielende Hund. Dass ich nie ein Haustier besitzen wollte, hat zu einem geringen Teil auch damit zu tun, dass mir nie ein echter Hund begegnet ist, der mich annähernd so entzückte wie Rowlf – und in meinem Elternhaus gab es viele, viele Haustiere. Ich liebte sogar seine Synchronstimme, womit wir wieder bei dem Glück wären, das wir mit der deutschen Bearbeitung hatten.
Und damit, mit einem solchen Kinderprogramm aufzuwachsen.

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Eine Antwort zu Welch ein Theater!

  1. Andreas sagt:

    Als Kind liebte ich die Sesamstrasse und die Muppetshow und dies ist auch noch heute so.
    Es gab bei uns zuhause zu dieser Zeit nur ein Fernsehgerät im Wohnzimmer und die Sesamstrasse lief, ich glaube Samstag, zur selben Zeit wie die Sportschau.
    Mein Vater wollte die Sportschau sehen und ich eben die Sesamstrasse. Mein Vater setzte sich dann sehr oft durch und mir blieb dann an diesen Tagen nur die Originalversion in englischer Sprache. Diese lief, wenn ich mich richtig erinnere, etwas später am Abend auf dem 3. FS-Programn.
    Irgendwann, ich war vielleicht 9Jahre alt, bekam ich den alten Bullaugen-SW-Fernseher in mein Zimmer und meine Eltern kauften sich ein Farbfernsehgerät.
    Somit hatte ich freie Fahrt zum Schauen der Sesamstrasse und der Muppetshow.
    Welch schöne Erinnerungen.

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