Der Fiesling im Gewächshaus

betr.: 43. Jahrestag der Erstausstrahlung von Columbo #11: „Die Blumen des Bösen“ („The Greenhouse Jungle“)

Wer „Columbo“ liebt, hat vermutlich eine Lieblingsfolge, die nicht jeder andere hat; im Gegensatz zu Krimiformaten wie etwa „Tatort“, wo „Reifezeugnis“ die offizielle Lieblingsfolge ist.
Bei mir gibt es ein paar Lieblingscolumbos, doch der amüsanteste Mörder der gesamten Serie ist ohne Wenn und Aber Ray Milland in „The Greenhouse Jungle“.

Die Geschichte beginnt als Enführungsfall, bei dem Columbo zunächst nur zusieht. Der Playboy Tony Goodland steckt in Geldnöten. Da bringt ihn sein scharfsinniger Onkel Jarvis, der zähneknirschende Verwalter des Familienvermögens, auf die scheinbar rettende Idee: Tony soll seine eigene Entführung inszenieren. Das Lösegeld von 300.000 Dollar wollen die beiden später unter sich aufteilen. Die Polizei findet wie geplant Tonys Wagen – aber Columbo glaubt nicht an eine Entführung. Als das Geld übergeben ist, macht Jarvis seinen Komplizen Tony mit der „Phase 3“ Teil des Plans vertraut und erschießt ihn. Zu dumm: nun übernimmt Columbo die Ermittlungen.

Onkel-Jarvis-Darsteller Ray Milliand war bereits als trauernder Witwer in der ersten Staffel der Serie zu Gast, eine kleine, tadellos abgelieferte Darbietung. Biograf Mark Dawiziak wirft ihm nun vor, seinen zweiten und erheblich größeren Auftritt vergeigt zu haben. Die Folge insgesamt findet er „choppy“ … – glauben Sie kein Wort davon! Milland liefert als (nicht von ungefähr) resigniertes, eiskalt planendes Subjekt ein Portrait mit einer allzeit spürbaren Biografie. Als zynischer, kultivierter Strickjackenträger mit einer Vorliebe für schöne Pflanzen, in dessen Leben es offenbar nicht zu einer Karriere sondern nur zu einer Laufbahn gereicht hat und der von einer verschwendungssüchtigen, primitiven Verwandtschaft umzingelt ist, erregte er augenblicklich meine allertiefste Zuneigung. Seine schlechte Laune ist ähnlich unterhaltsam wie die des schlampigen Oscar in „Männerwirtschaft“. Dass er dem betont trottelig auftretenden Inspektor mit großer Ungeduld begegnet und sogar dessen übereifrigen Assistenten mit mehr Respekt behandelt, ist ein vertrautes Motiv, aber hier wird eine sportliche Disziplin daraus.
Eines Nachts muß Jarvis Goodland eine Lösegeldübergabe durchführen. Columbo weiß längst, dass das alles ein Schwindel ist, und Goodland ahnt offensichtlich, dass ihm der Inspektor nicht traut.
Er spielt also seinen Part und muß anschließend Columbos Versuche über sich ergehen lassen, Konversation zu machen:

Goodland: Ach Sie sind es, Columbo …
Columbo: Ja, Sir, wir haben Sie hoffentlich nicht schreckt. – Sir, wir sind natürlich daran interessiert, zu erfahren, was genau da oben auf dem Hügel passiert ist.
Goodland: (etwas unwillig) Der Mann sagte: „Goodland!“, ich sagte „Ja!“, er sagte: „Her mit den Moneten!“ – Ich gab ihm die Moneten.

Als Columbo ihn schließlich überführt, ist Goodland entsetzt, einen so dummen Fehler gemacht zu haben. Als der Assistent ihm seine Rechte vorlesen möchte, bringt er ihn mit einem eiskalten Blick zum Schweigen.

„The Greenhouse Jungle“ ist eine jener Episoden, die wir in zwei verschiedenen Fassungen sehen konnten, beide gelungen. Bei der ARD-Erstsendung wurde der wunderbare Klaus Schwarzkopf von Curt Ackermann als Obergangster unterstützt. Da hier 15 Minuten fehlten und der Privatsender RTL in den 90er Jahren unerwarteten Erfolg mit der Wiederholung der Serie hatte, wurde eine neue komplette Fassung hergestellt. Das hätte ins Auge gehen können, aber die neue Version ist noch feiner und pointierter als die alte. Horst Sachtleben ist – nichts für ungut – die deutsche Idealbesetzung für den schnurrigen Peter Falk, und Ray Milland wird nun von Holger Hagen betreut, der die Bandbreite des Charakters bis ins kleinste Augenzwinkern mitmachen kann, auch dessen Zärtlichkeit für seine Orchideen (und sogar für Columbos sieches Veilchen) und die tadellosen Manieren, die unter der Muffigkeit begraben sind.

Nur am Rande: „The Greenhouse Jungle“ hat eine zündende Filmmusik von Oliver Nelson, die in der ähnlich unterhaltsamen Episode „Requiem For A Falling Star“ wiederverwendet wurde und die sogar so etwas wie eine Erkennungsmelodie für den Helden anbietet.
Und nebenbei zeigt uns hier Peter Falk, der in seiner Rolle insgesamt nicht den größten darstellerischen Spielraum hat, was für ein subtiler Schauspieler er ist.
Nachdem er der losen Gattin des Entführten ein paar seiner „Routinefragen“ gestellt hat und eben gehen will, stürmt deren Liebhaber herein. Er bemerkt Columbo nicht, und noch ehe die Dame Schlimmeres verhindern kann, begrüßt er sie mit einem langen Kuß – und verschafft ihr damit ein prachtvolles Mordmotiv. Columbo ist die Anwesenheit bei dieser doppelt blamablen Szene sehr unangenehm. Mit eingezogenem Kopf trollt er sich, wird aber noch aufgehalten und ein wenig ausgeschimpft.
Allenfalls Jack Lemmon hätte ich zugetraut, ein solches Vergnügen aus dieser Szene herauszuholen.

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