Die wiedergefundene Textstelle: „Das Drei-Monde-Irrenhaus“ (8)

betr.: 51. Jahrestag der UK-Premiere von „Die! Die! My Darling“ nach Richard Matheson / Fortsetzung vom 16. März

Das Drei-Monde-Irrenhaus
Eine Kurzgeschichte von Richard Matheson
Übersetzt von Monty Arnold

(XIV.)

In einem Wandregal lagen allerlei Filmrollen. Er griff nach einer beliebigen und wollte sich von deren Inhalt überraschen lassen. Er war längst so matt und abgestumpft, dass er nicht mehr hätte sagen können, ob er selbst auf diese Idee gekommen war.
Er legte die Rolle ein und schaltete das Licht aus.
Als der zitternde Lichtstrahl seine milchigen Bilder auf die Leinwand warf, ließ er sich mit müdem Seufzen in einen Sessel fallen.
Ein magerer Mann mit dunklem Bart trat auf, mit gekreuzten Armen und bemerkenswert weißen Zähnen. Er trat näher an den Betrachter heran. Das Sonnenlicht übersrtahlte das Bild für eine Sekunde, dann wurde die Leinwand schwarz. Ein Titel leuchtete auf: Ein Bild von mir.
Wieder der Mann, ein Kerl mit hohen Backenknochen und hellen Augen. Stumm lachend stand er da. Er wies zur Seite, und die Kamera folgte seiner Geste. Lindell richtete sich mit einem Ruck auf.
Er sah die Station.
Als die schwenkende Kamera ein paar Bäume erfaßte, sah Lindell, daß es Herbst sein mußte.

Abermals wurde die Leinwand schwarz, und ein weiterer Titel verkündete: Jeff im Büro.
Der Mann blickte in die Kamera und lächelte etwas idiotisch. Sein makellos geschnittener Bart stach scharf von der weißen Haut ab.

Abblenden – Aufblenden.
Der Mann tanzte im leeren Lagerhaus umher, die Hände in der Luft und mit wehendem Haar.
Der nächste Titel ließ Lindell den Atem stocken: Liebling.
Da war auch schon ihr Gesicht. In Schwarzweiß wirkte es besonders abstoßend. Sie stand an seinem Schlafzimmerfenster, ihr Gesicht glühend vor Entzücken. Diese Auslegung erschien ihm nun ganz eindeutig. In unbeschwerteren Tagen hätte er diese Fratze schlicht für irrsinnig gehalten.
Sie drehte sich, und ihr Morgenrock wirbelte herum. Er sah ihre drallen Fesseln, und sein Magen krümmte sich.
Sie näherte sich der Kamera; hauchdünne Lider glitten über ihre Augen. Seine Hände begannen wieder zu zittern.
Es war sein Traum, und er bereitete ihm Übelkeit. Bis in alle Einzelheiten war sein Traum auf Film gebannt. Demnach war es kein eigentlicher, seinem Hirn entsprungener Traum gewesen.
Ein schluchzender Laut entrang sich seiner Kehle. Sie fing an, ihren Morgenrock auszuziehen. Ja, so war es! schrie es in seinem panisch entsetzten Gehirn. Fahrig tastete er nach dem Schalter des Projektors.
Nein.
Ein kaltes Kommando aus der Dunkelheit fuhr dazwischen. Sieh mich an, befahl sie. Er saß wie schockgefroren und sah, wie ihr Morgenrock vom Hals über die runden Schultern glitt. Sie wand sich sinnlich. Das Kleidungsstück fiel raschelnd auf den Fußboden.
Er schrie auf.
Fortsetzung folgt

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