Der 21st Century Boy

betr.: 73. Geburtstag von Laurie London

Laurie London ist die definitive Verkörperung des berühmten Marshall McLuhan-Ausspruchs von den „15 Minuten Ruhm“, die „in Zukunft“ (also jetzt, im digitalen Zeitalter) einmal jedem Menschen zustehen würden*. Laurie London war schon dieser Ankündigung um mehr als zehn Jahre voraus, denn seine Minuten (es waren zwei plus zwanzig Sekunden) schlugen 1957. Auch was Ort und Verlag betraf, war das Timing schlecht: die Aufnahmen wurden in den Abbey Road Studios produziert und bei Parlophone herausgebracht – wenige Jahre, bevor George Martin und die Beatles diese Adressen in aller Welt bekannt machten.
Das One-Hit-Wonder dieses Kinderstars bestand nur aus einer einzigen Zeile, die sich bis zum Plattenaufkleber nur noch wiederholte, ein Gospel-Song namens „He’s Got The Whole World In His Hands“, der eigentlich als B-Seite gedacht war.

Laruie London_ZuijderveltLaurie Londons Kurzportrait im Begleitbuch einer Buchclub-Langspielplattenbox (1983)

Da der Erfolg von „He’s Got The Whole World In His Hands“ gleich am Anfang dieser Sängerlaufbahn stand, hat man mit besonderem Eifer versucht, ihn auszudehnen. So wurde Laurie London z.B. mit der dänischen Kinderstar-Entdeckung Gitte zusammengebracht und auch auf dem deutschen Film- und Schlagermarkt eingesetzt.
Nachdem 1961 sein britischer Plattenvertrag ausgelaufen und auch die letzte Ariola-Single vom April 1962 verklungen war, wurde der Sänger zum Grundstücksmakler, später zum Ehemann und Hoteldirektor. Die eine große Liedzeile hatte sich nicht verlängern lassen.
Nie zuvor und für lange Zeit nicht wieder war rein inhaltlich so wenig drin gewesen in den sprichwörtlichen Minuten des Weltruhms.
Für die Youtube-Epoche, die Ära des „Dschungelcamps“ und der Klingelton-Millionäre, in der sich das alte Philosophenwort beinahe täglich neu bewahrheitet, war Laurie London schlicht zu früh gekommen.

____________________________
* Andy Warhol hat diesen Slogan populär gemacht, dessen Schöpfer Marshall McLuhan († 1980) in seiner Weitsicht mit jedem Tag ein wenig unheimlicher wird.

Dieser Beitrag wurde unter Film, Medienphilosophie, Musik, Popkultur abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert