Die wiedergefundene Textstelle: „Der Schauspieler“

betr.: 92. Geburtstag von Walter Sedlmayr

Der Freistaat Bayern war und ist in der Akzeptanz von der bürgerlichen Norm abweichender Lebensentwürfe immer etwas später dran, ein wenig unversöhnlicher als der Rest der Bundesrepublik. Immerhin sind seine Repräsentanten in der Entgegennahme von Toleranz sehr offenherzig, beispielsweise, wenn sie – was immer wieder geschieht – in öffentlich-rechtlichen Talkshows Homosexualität als „unnatürlich“ abtun und ihnen höflicherweise niemand widerspricht oder ihnen etwa die delikate Frage stellt, wo diese Neigung denn wohl sonst hergekommen sei.
Ausgerechnet Bayern bringt seit den Zeiten des Märchenkönigs Ludwig immer wieder Prominente hervor, die ganz offensichtlich nicht heterosexuell sind, bei denen das aber in Ordnung geht, solange sie sich in der Öffentlichkeit auf eine ulkige Asexualität zurückziehen.
Dem schwulen Schauspieler Walter Sedlmayr war dieser Deal zu riskant. Im Bestreben, seine wahre Natur geheimzuhalten, verstrickte er sich in ein entwürdigendes halbseidenes Doppelleben, das ihn schließlich Kopf und Kragen kostete. Seine grausame Abschlachtung im Sommer 1990 wurde als Strichermord getarnt. Ein trefflicher Kommentar zur Rezeption von Sedlmayrs posthumem Outing auf dem Boulevard lautete: „Hätt er a Freundin g’habt, hätten’s ihn nur derschlag’n. So ham’s ihn außerdem auch noch derstoch’n.“

Als Jahre später der Privatsender SAT.1 eine Programmoffensive mit anspruchsvollen Fernsehspielen startete (TV-Movies war das Fachwort der Stunde), kam auch die Biographie des Walter Sedlmayr zur Ausstrahlung. Das war nur gerecht, war doch der Schauspieler jahrzehntelang ein Bildschirmliebling gewesen.
Der Film „Wambo“ (nach dem Szene-Spitznamen des Protagonisten) durfte endlich offen über Dinge sprechen, die lange weggeheuchelt worden waren. Ein Gefühl von Befreiung verströmte er trotzdem nicht, was gar nicht nur die Schuld des Drehbuchautors und Regisseurs Jo Baier ist. Die Geschichte ist bis zu ihrem bitteren Ende trist und beklemmend und der Held ebenso unsympathisch wie die drolligen Fieslinge, mit deren Darstellung er so viel Geld verdient hatte.

Dass man durchaus den Wunsch hatte, der tragischen Hauptfigur Würde zu geben, wird in einem Monolog deutlich, den Wambo (alias Herbert Stieglmeier, wie der Charkter im Film heißt) unmittelbar vor seiner Ermordung spricht, ein einsames Selbstgespräch im Halbdunkel seines Schlafzimmers.  Der rheinländische Schauspieler Jürgen Tarrach war sehr stolz auf diese Szene. Sie ist gemeinsam mit den Film in Vergessenheit geraten. Zuvor gab’s aber noch den Adolf-Grimme-Preis für Regie und Hauptdarsteller.

Letzen Endes ist man immer einsam – als Mensch und als Schauspieler erst recht. Da ist man der einsamste Mensch auf der Welt. Wir leben für unseren Beruf, und wir sterben dafür. Und für unser Publikum.

Wie wollen mehr geliebt werden, als jeder andere Mensch. Und dafür tun wir praktisch alles. Wir zeigen ihnen unseren Körper und unsere Seele, bloß damit sie uns lieben.
Uns können ein paar Worte vernichten.

Es geht keinen was an, wie’s in einem drin ausschaut! Keinen!
Und bloß, weil man ein öffentlicher Mensch ist, muss man noch lange nicht offen sein!
Oder?

 

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