„Les Amours Ecologiques du Bolot Occidental“ von Claire Bretécher, Frankreich Januar 1977, keine deutsche Übersetzung
Zu den (wenigen!) traurigen Aspekten meiner kulturellen Vorlieben gehört, dass mir in aller Regel die obskuren und verschmähten Künstler zusagen, und hat es mir mal ein Klassiker angetan, liege ich mit der Allgemeinheit über die Wahl der jeweiligen Werke über Kreuz. Im Falle von „Les Amours Ecologiques du Bolot Occidental“ der französischen Comic-Ikone Claire Bretécher weiß ich immerhin Ralf König an meiner Seite, der von seiner überaus vorbildlichen Kollegin sagt: „ihre Detailfreude und ihr Strich (sind) zeitlos und unerreicht. Aufrichtige Verehrung für eine der Größten der Zeichenzunft!” Angesichts des „Bolot Occidental“, einer Sammlung kurzer Geschichten um einen Hund, dessen Herrchen – ein Tierpfleger – ihm die Begegnung mit allerlei schrägen Viechern ermöglicht, gerät er derart ins Schwärmen, dass ich der Versuchung widerstehen muss, ihm die boshafte Frage zu stellen, wer denn nun größer sei: Crumb oder Bretécher.
Dieses Juwel der Comic-Kunst gehört auch in Frankreich zu den Geheimtipps. Die Serie brachte es immerhin auf zwei Bände.
Claire Bretécher wurde berühmt als Chronistin des Kampfes der Geschlechter (wobei sie das eigene niemals schont) und als Rupferin der 68er. Ihre zickigen Dialoge um Lifestyle, (versäumte) Selbstoptimierung, Mutterschaft und Ärzteschaft wären geeignet, einen zeitlos frischen Wind über unsere tunnelsichtig-vermufften Kabarett-Bühnen zu pusten (nicht nur über die des frauenbewegten Kabaretts). Einige ihrer Serien, so „Die Frustrierten“, wurden in den 70er, 80er und 90er Jahren auch hierzulande gern gelesen, verschwanden aber danach restlos von der Bildfläche. Was der „Bolot Occidental“ diesen späteren Alben noch voraus hat, ist die märchenhafte Qualität der in der (gezähmten) Natur spielenden Szenen. Sie sind buchstäblich fabelhaft. Allein die Farbdramaturgie, die dieser Schauplatz anregt, bereitet ein abendfüllendes Vergnügen.
Unlängst unternahm Reprodukt den lobenswerten, aber rasch wieder beendeten Versuch, eine Wiederentdeckung der Bretécher-Comics anzuschieben. Die Entscheidung des ambitionierten Verlags, mit zwei Bänden um die archetypische Heldin „Agrippina“ zu beginnen, ist nachvollziehbar. Und doch ist es ein Jammer, dass sich die Hoffnung, den „Bolot Occidental“ einmal auf deutsch lesen zu dürfen, damit für die nächsten 50 Jahre erledigt haben dürfte.