Wo nie ein Taktstock zuvor gewesen ist – Der Komponist Bernard Herrmann (5)

Fortsetzung vom 10.7. 2018

betr.: Arbeit an der Oper „Wuthering Heights“

Im Jahre 1946 bekam Bernard Herrmann es erstmals mit einem exotischen Sujet zu tun. Irene Dunne und ein ungewohnt jugendlicher Rex Harrison spielen die Geschichte von „Anna And The King Of Siam“, die fünf Jahre später als Musical um die Welt gehen sollte.
Herrmann arbeitete Tonleitern und Klangmuster indonesischer Gamelanmusik (Glöckchen, Sorons, Xylophon) in seine Partitur ein. Als er später hörte, dass Richard Rodgers an der Musicalfassung „The King And I“ arbeitete, schickte er ihm ungefragt die Ergebnisse seiner folkloristischen Studien, damit sie diesem helfen mögen, einen möglichst authentischen Sound zu treffen. Rodgers – längst eine Legende des Broadway – dürfte darüber nur den Kopf geschüttelt haben. Zu Herrmanns Enttäuschung blieb eine Reaktion aus. (Filmmusik war Rogers aber keineswegs gleichgültig: das Female-Monster-Motiv aus Franz Waxmans „Bride Of Frankenstein“ bildete – unaufgefordert – die Grundlage für die Eröffnungsnummer „Bali Ha‘i“ in „South Pacific“.)
Das Hauptthema aus „Anna And The King Of Siam“ lebte trotzdem noch einmal auf: Herrmann recycelte es 1953 in „King Of The Khyber Rifles“, begraben unter tosendem Schlagwerk, passend zu den kriegerischen Ereignissen im kolonialen Afghanistan.
Nach „Anna And The King Of Siam“ arbeite Herrmann wieder vermehrt als Dirigent in New York und an seiner Oper. Das Projekt, das ihn im folgenden Jahr wieder noch Hollywood locken sollte, passte sehr gut dazu: es fügte dem englischen Fin-de-Siecle-Schauplatz noch einen übersinnlichen Touch hinzu: „The Ghost And Mrs. Muir“.
Die junge Witwe Lucy Muir (Gene Tierney) bezieht ein einsam gelegenes Haus am Meer, genannt „Gull Cottage“, in dem der verstorbene Vorbesitzer spukt: Captain Gregg (wiederum Rex Harrison). Zwischen der Witwe und dem ruhelosen Seebären entwickelt sich eine gewisse Zuneigung. Zur Lösung ihrer finanziellen Probleme schlägt Gregg Lucy vor, ihr seine Seemannsabenteuer für ein Buchmanuskript zu diktieren. Dabei verliebt er sich in sie – doch er ist und bleibt nunmal ein Geist. Beim Verleger in London lernt  Lucy den Kinderbuchautor Miles Fairley kennen, und sie verlieben sich. Käpt’n Gregg zieht sich zurück, um nicht im Wege zu sein – und Lucy wird mit ihrer Liebe scheitern.
Erst als sie hochbetagt auf „Gull Cottage“ stirbt, kehrt er zurück. Nun können sie sich in einer gemeinsamen Welt  vereinen. Gemeinsam gehen sie in die Ewigkeit.
Solo-Klarinetten, Flöte, Oboe, Harfe und Glocken weben dazu eine sphärisch-schwebende Musik in Fis-Dur. In den folgenden vier Jahren sollte Bernard Herrmann in dieser Stimmung seine Oper „Wuthering Heights“ vollenden.

Forts. folgt

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