Der Song des Tages: „Ich wünsch mir zum Geburtstag einen Vorderzahn“

betr.: 66. Jahrestag der Premiere von „Wir sehen schwarz“

Die Chansonniere Cissy Kraner wird heute vor allem für ihre volkstümlichen Chansons verehrt und erinnert, die in ihrem wechselvollen (Künstler-)Leben nur ein Kapitel gebildet haben. Nach frühen Jahren als Soubrette in Wien war sie mit ihrem jüdischen Partner und späteren Ehemann Hugo Wiener vor den Nazis nach Kolumbien geflohen, wo beide ihre Entertainer-Laufbahn ungebrochen fortsetzten, um 1948 zurückzukehren. Rund zwanzig Jahre lang sollte sie nun im Kabarett „Simplicissimus“ das Material ihres Gatten interpretieren. Ihre Chansons nehmen die Perspektive der Arbeiterklasse ein, sind jedoch unpolitisch. Obwohl ganz im Stil der 50er Jahre gehalten, thematisieren sie – ähnlich wie die etwa 25 Jahre älteren Couplets von Otto Reutter – allzu Heutiges und Allzumenschliches: Eitelkeiten und Kleinbürgermief, die Last mit dem Älterwerden, sexuelle Sehnsüchte und ihre tückenreiche Verwirklichung, Begegnungen mit Beamten, Nachbarn und Ex-Affären.
„Ich wünsch mir zum Geburtstag einen Vorderzahn“ aus der Revue „Wir sehen schwarz“ ist ein typisches Hugo-Wiener-Chanson: musikalisch simp(e)l, schauspielerisch eine Herausforderung. Cissy Kraner besingt die beschränkte Vorstellung von Glück bei einem jungen Mädchen aus Favoriten, Wiens 10. Bezirk. Dies ist neben „Der Novak lässt mich nicht verkommen“, zu dessen bestrickender Doppelbödigkeit er nicht hinaufkommt,  sicherlich ihr heute populärster Titel.

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