Die schönsten Filme, die ich kenne (96): „Die letzte Vorstellung“

Coming-Of-Age-Filme können sehr unterschiedlich grundiert sein. „The Last Picture Show“ (1971), der zweite Film des Regisseurs und Filmhistorikers Peter Bogdanovich, erzählt von großer Finsternis – einer perspektivlosen Mittelklasse-Jugend in der Provinz – und tut das mit allen Zwischentönen, für die das menschliche Gemüt empfänglich ist. Und – wie ein Kritiker meinte – mit einer faszinierenden Perfektion, ohne die das Deprimierende daran kaum auszuhalten wäre.

1951 in Anarene, einem Kaff in Texas. Die Ölindustrie prägt die Atmosphäre, und obwohl die Kids am Leben ihrer Eltern deutlich ablesen können, was ihnen nach dem Highscool-Abschluss bevorsteht – ein Leben in öden Jobs und lieblosen Ehen – fiebern sie diesem Ereignis entgegen. Der coole Duane (Jeff Bridges, der die größte Karriere des jungen Ensembles gemacht hat) ist in die reiche Jacy verliebt, das schönste Mädchen der Schule. Nachdem eine gemeinsame Nacht in einem Motel schiefgeht, wendet sie sich einem erfahreneren Mitschüler zu. Der zartbesaitete Sonny (Timothy Bottoms, der schon hier dem jungen George W. Bush so ähnlich sieht, dass er ihn mehrfach in Film und Fernsehen verkörpern durfte) wird von Mr. Popper, dem Trainer des High-School-Fottballteams, dazu manöviert, seine unglückliche Ehefrau zu verführen. Tatsächlich entwickelt sich zwischen Sonny und Ruth Popper eine heimliche, zärtliche Romanze.
Der einzige Platz, der den jungen Leuten von Anarene eine gewisse Fluchtmöglichkeit bietet, ist das Kino, das vom charismatischen Ex-Cowboy Sam „dem Löwen“ betrieben wird. Sam ist Sonny ein väterlicher Freund, doch buchstäblich der ganze Ort ist bestürzt, als Sam plötzlich stirbt. Bald schließt das Kino – zuletzt wird der Edelwestern „Red River“ gezeigt.
Sonny holt sich in einer Affäre mit einer Gleichaltrigen eine blutige Nase und kehrt reumütig zu Mrs. Popper zurück. Duane wird in den Koreakrieg ziehen …

Unablässig treibt der Wind taub und tote Blätter durch die heruntergekommene Hauptstraße, so dass der Ort wie eine Geisterstadt wirkt. Statt einer Filmmusik ist nur die Berieselung zu hören, die sich den handelnden Personen bietet. Da die Geschichte kurz vor dem Siegeszug des Rock’n’Roll spielt, hören wir immerzu schnulzige Country Music.
Die besondere Qualität, die 1998 zur Aufnahme von „Last Picture Show“ in die amerikanische Kongressbibliothek führte, ist nicht mehr ohne kleine Hindernisse zu besichtigen. Mit seinem (unnötigen) zweistündigen Director’s Cut (der überdies auf Breitbild heruntergeschnitten wurde) handelte Bogdanovich seinem deutschen Publikum eine neue Synchronfassung ein, vor der man sich in Acht nehmen sollte.

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