Bob und Margaret – Von Zahn bis Fuß

betr.: 25 Jahrestag der US-Premiere von „Bob’s Birthday“ auf dem „Chicago International Film Festival“

Heute sind wir rundum mit Mittelklasse-Sitcoms versorgt – mit wiederholten und noch laufenden, gefilmten und gezeichneten, gesendeten und gestreamten. Die Pointen sitzen (wenn auch nicht so gut, dass das pausenlose Dosengelächter angemessen wäre). Kein Wunder, dass niemand „Bob und Margaret“ vermisst, eine Cartoon-Sitcom auf der Basis des Oscar-Gewinners „Bob’s Birthday“. In diesem 12minütigen Trickfilm, der in seiner limited Animation den Erfolgsserien von Seth MacFarlane voranging, „feiert“ der spießige Zahnarzt Bob den deprimierendsten Tag im Leben eines jeden Mannes: seinen Vierzigsten. Der Erfolg des Films führte dazu, dass der Spaß in Serie gehen durfte. Das kanadische Autoren-Ehepaar David Fine und Allison Snowden siedelte sein Traumpaar in Süd-London an und fing die britische Atmosphäre (jedenfalls aus unserer kontinentalen Perspektive) wunderbar ein.

Bob and Margaret_Telegraph-cover

„Bob And Margaret“ hält sich bereits strikt an die bis heute ehernen Gesetze der Verlierer-Comedy: Bob Fish ist Zahnarzt, Margaret Fußpflegerin – zwei Tätigkeiten, die tief zu den am wenigsten appetitlichen Stellen des menschlichen Körpers hinabführen (Die Träger dieser Stellen sind freilich noch weitaus unangenehmer.) Die Helden erwarten nichts vom Leben und werden dennoch ständig frustriert. Schauplatz ist die Vorstadt mit ihren Nachbarn, Haustieren (die gefräßigen Hunde William und Elizabeth), Schwiegereltern, Blattläuse, Vertreterbesuchen und Einbrechern – immerhin eigene Kinder sind den Doppelverdienern erspart geblieben.
Die Serie hatte zunächst in Kanada gewaltigen Erfolg, wurde in alle Welt verkauft und lief um die Jahrtausendwende auch bei uns. Danach führte sie auf winzigen Spartensendern ein sporadisches Spuk-Dasein in schlechter Auflösung und ist seither praktisch von der Bildfläche verschwunden. Im Internet kursieren dazu nur Stichworte, und selbst das fundierte „Fernsehlexikon“ wiederholt die dortige Falschübersetzung, Margaret sei Chiropraktikerin. YouTube zeigt nur die Originalversion, was bedauerlich ist, denn die Synchronisation (sowohl die Münchner Fassung mit Herbert Feuerstein und Dagmar Heller als auch die Hamburger Folgen mit Holger Mahlich und Ursula Sieg) ist wirklich gelungen.

Ist das angesichts des eingangs erwähnten Überangebots überhaupt der Rede wert, ist es gar bedauerlich?
Ja, denn Bob und Margaret sind ein bisschen anders. Sie sind europäischer.

Die erbarmungslose Punchline-Quote der amerikanischen Sitcom duldet keine Schwachheiten: jeder der Mitwirkenden muss schlagfertig und auf Zack sein, was den Figuren etwas von ihrer Kontur raubt.  Tempo und Laustärke bleiben immer auf Anschlag, und streng genommen ist niemand wirklich unsexy. Davon (selbst davon) können Bob und Margaret nur träumen. Bei ihren Erlebnissen haben wir es mit gut gebauten kleinen Komödien zu tun (ähnlich wie in den ersten Folgen der „Flintstones“ oder einigen frühen Folgen von „Married … With Children“) – schwarzen Komödien natürlich, in denen immer wieder die Realsatire an die Stelle der handwerklich routinierten Comedy tritt. Einige Figuren sind so grauenhaft gut getroffen, dass man fürchtet, sie beim Verlassen der Wohnung vor der Tür wiederzutreffen. Die Dialoge wirken zu keiner Zeit so aggressiv, fatalistisch und unkorrekt wie sie tatsächlich sind. Doch bei aller hermetischen Hoffnungslosigkeit gelingt (zumindest Margaret) der eine oder andere kleine moralische Sieg. Eines aber ist nicht zu ändern: Margrets Eltern werden sie immer für einen Totalausfall halten und Bob dankbar dafür sein, dass er sie geheiratet hat.

Nach zwei Staffeln zog das Paar für zwei weitere nach Kanada um – vermutlich um die örtlichen Geldgeber der Serie zufriedenzustellen. Diese Episoden habe ich nie gesehen.

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