Der Winter unseres Missvergnügens

betr.: das Ende der deutschen Erstauswertung der Serie „Game Of Thrones“

Altmodisch betrachtet, geht heute eine Ära zuende. Die letzte Folge der meistdiskutierten und am häufigsten illegal heruntergeladenen TV-Serie der Dekade – die letzte Folge des 70-Stunden-Epos „Game Of Thrones“ – wird heute im linearen deutschen Free-TV erstausgestrahlt. Selbstverständlich ist GOT nicht eigentlich eine TV-Serie, und das heutige Programm hat längst jeder auf dem Computer gesehen, der es unbedingt wollte.   

Zu spoilern gibt es also nichts mehr. Die Foren brodelten schon nach der vorigen, der 7. Staffel vor Zorn über den Qualitätsabfall, den das Zuendegehen der literarischen Vorlage dem Format beschert hat. Nach der Freischaltung der neuen Folgen im Frühjahr – der Fortsetzung nach quälenden anderthalb Jahren – häuften sich die schlechten Nachrichten aus der Umgebung von Westeros. Der erste Ansturm überlastete die Infrastruktur des Anbieters Sky, was für einige der Fans (bzw. Fernsehmuffel) stundenlanges Warten, schlechtere Auflösung oder die Beschränkung auf die deutsche Synchronfassung zur Folge haben konnte. Sky bewertete den eigenen Erfolg dann zwar positiv und lobte den erwiesenen „Lagerfeuer-Charakter“ seines Produktes, doch der geheimnisvolle „Dylan D.“ stellte eine Petition ins Netz, die ein Remake der 8. Staffel forderte und die Autoren als „entsetzlich inkompetent“ beschimpfte. Hunderttausende schlossen sich ihm an. Auch das Feuilleton war insgesamt nicht entzückt. Die F.A.Z. etwa klagte, die Serie verheize ihre Schauplätze und Figuren. Sogar die Helden wurden ins Verderben gerissen. Einer der größten, der fesche Kit Harrington, ließ sich in eine „Wellness-Einrichtung“ einweisen, um sich von seiner Alkoholsucht und von der Absetzungs-Depression kurieren zu lassen. Für andere Publikumslieblinge, wie etwa den Darsteller der heimlichen Hauptfigur Tyrion oder die stattliche Kämpferin Gwendoline Christie, dürfte das Finden neuer Aufgaben all ihrer Glanzleistungen zum Trotz noch schwieriger werden. Immerhin hat Peter Dinklages kluger Zwerg die Geschichte überlebt. Lange Zeit führte er die Beliebtheitshitparade der GOT-Charaktere an, und allseits bangte man darum, er könnte den Serientod sterben wie so viele andere wichtige Figuren. Stattdessen hat es nun die emotional aufgetaute Drachenmutter Daenerys erwischt, die Tyrion in den Popularitätswerten zuletzt überflügelte – ein weiteres Ärgernis für die Zuseher. Den chinesischen Fans blieb diese Misere erspart, denn wegen eines internationalen Handelskonflikts konnten sie die letzten Folgen zunächst nicht sehen – auch hier war also für Ärger gesorgt.

Selbstverständlich sind die letzten sechs Folgen „Game Of Thrones“ ein sehenswertes Spektakel (- einige davon haben Überlänge und jede einzelne ist aufwändig wie eine größere Kinoproduktion). Aber auch die allerschönsten Sequenzen leiden darunter, inhaltlich keinen rechten Sinn zu ergeben und nur stattfinden zu können, weil die Logik gewaltige Löcher hat. In der dritten Folge etwa ereignet sich ein unerträglich spannender und in seiner Missachtung der heutigen Sehgewohnheiten geradezu kammerspielartiger Moment. Die 18.000 Kämpfer von Winterfell erwarten den nächtlichen Angriff des Nachtkönigs und seiner 120.000köpfigen Zombie-Armee. Als sich diese ankündigt, reiten die die Dothraki als Vorhut der vereinten Heere in die Finsternis. Wir sehen nur ihre Arakhs, ihre flammenden Sicheln aus der Drachenperspektive. Auf einmal beginnen diese kleinen Lichter in der schwarzen Ferne zu verlöschen – und wir erhalten schreckliche Gewissheit, ohne einen einzigen explizit-brutalen Anblick (dazu ist wenig später noch ausreichend Gelegenheit). Aber wo steckt in dieser Zeit eigentlich Daenerys mit ihren Drachen? Sie greift erst ein, als die Angreifer Winterfell schon zu stürmen begonnen haben.
Solche Widersinnigkeiten häufen sich ab der 6. Staffel und bestimmen mehr und mehr den Fortgang der Ereignisse.

Die allgemeine Unzufriedenheit hatte einen wohltuenden Nebeneffekt: von allem famosen Blendwerk unbeirrt forderten die Fans ein besseres Buch. Üblicherweise wird die Arbeit der Autoren (hier: des Autors der Vorlage) überhaupt nicht bemerkt geschweige denn gewürdigt.
Es gibt in diesem Zusammenhang noch eine weitere gute Nachricht: George R. R. Martin will seinem „Lied von Eis und Feuer“ in aller Ruhe noch zwei abschließende Bände hinzufügen.
Die DVD-Box mit dem Serienfinale erscheint am 3. Dezember.

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