Geschichte des Komiker-Handwerks (26)

Der unvermeidliche Vorwurf von Kritikern und Fachliteraten, dieser Humor und seine Vertreter seien doch „sick“, wurde von den Beschimpften umgehend akzeptiert. Doch während der Begriff eigentlich wörtlich gemeint war, übersetzten ihn die Fans eher mit „bizarr“, „faszinierend“ oder „phantasievoll“. Welche Definition die Komiker selbst bevorzugten, blieb ungesagt, doch sie wandten die Bezeichnung „Sicknicks“ stolz auf sich selbst an. Lenny Bruce legte gar Wert darauf, als „the sickest of the sick comics“ zu gelten.

„Sick“ war natürlich auch eine (Selbst-)Aufforderung, der die Künstler auf unterschiedliche Weise nachkamen.
Manchem New Wave Comic war offensichtlich nicht ganz wohl in seiner Haut. Das legt z. B. die berüchtigte „Air Crash Routine“ von Don Adams nahe, die als Parodie auf einen Sicknick angelegt war – ein eindeutiges Hintertürchen. Nachdem Adams sich über einen Flugzeugabsturz in der Umgebung lustig gemacht hatte, adressierte er im Publikum einen „Mr. Thompson“ als Hinterbliebenen des Unglücks und forderte den Saal zu einem tröstenden Applaus auf. „Keine Tränen jetzt! Verbeugen, hinsetzen!“ beendete er die Nummer, an den imaginären Thompson gerichtet. Adams wollte dies als Entlarvung von grausamen Showmaster-Sitten verstanden wissen, die die Emotionen ihrer Gäste dem Voyeurismus des Publikums preisgeben.
Ich muss bei diesem Beispiel an die Apotheose einer klassischen „Raumschiff Enterprise“-Folge denken. In der philosophisch konnotierten Episode „Seit es Menschen gibt“ sagt ein Alien zu den Helden: „Es ist euch nicht gelungen, mir einen Unterschied zwischen eurer Auffassung von Gut und Böse zu zeigen. Ob ihr für euer Gutes oder für euer Böses kämpft, ihr benutzt die selben Mittel und erzielt dieselben Ergebnisse!“

Auszug aus dem Essay „Humor Omnia Vincit“

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