Der Komiker als Filmheld (6): „Der Himmel kann warten“

In dieser Reihe werden Filme vorgestellt, deren Helden Komiker sind. Nach einer kurzen Inhaltsangabe werden die Filme hauptsächlich danach beurteilt, wie kundig und glaubhaft sie diesen Beruf abbilden. (Meistens entspricht dieser Aspekt aber auch der Gesamtnote.) Biopics werden an anderer Stelle behandelt.

„Der Himmel kann warten“, BRD 2000

Seit Kindertagen befreundet, stehen der schwermütige Alex und der leichtlebige Paul in der Endrunde des Comedy-Castings für einen Fernsehvertrag. Während der Tage der Ausscheidung erfährt Alex, dass seine überwunden geglaubte Krebserkrankung, die ihm bereits eine Beinprothese eingetragen hat, wieder ausgebrochen ist. Immerhin: sein Act funktioniert besser als der von Paul.  Um sich von seinem Problem abzulenken und um Paul zu helfen, fliegt Alex in die USA, um dessen größtes Vorbild ausfindig zu machen: Rob Patterson – Hüter des Geheimnisses der legendären Huhn-Nummer und aus der Branche ausgestiegen. Alex findet ihn und bringt die beiden zusammen. Patterson erklärt Paul, worin sein Problem bestehen könnte: um ein guter Comedian zu sein, brauche man nicht nur Talent und Technik, sondern auch Herz. Und auf die nötige schmerzvolle Erfahrung, die solche Tiefe ermöglicht, kann der fröhliche Weiberheld leider noch nicht zurückgreifen.
Wieder zu Hause kommt es auch für Paul zu einem schrecklichen Erlebnis …

Der Film mit dem epigonalen Titel „Der Himmel kann warten“ sollte ursprünglich „Komiker“ heißen. Vielleicht hat der Verleih davon Abstand genommen, weil dieses Wort auch nach dem Siegeszug der Comedy in Deutschland nicht ausschließlich positiv konnotiert war. Trotzdem wollte man sich am Ende der 90er Jahre auf den Boom dieser Kunstform in unserer Medienlandschaft beziehen. Der Schauplatz Köln unterstreicht das, doch ansonsten interessiert sich der Film nicht für seinen Gegenstand und wirft unterschiedlichste humoristische Disziplinen in einen Topf. Das Chanson-Duo Malediva, das im Wettbewerb auftritt, gehört in diese Sparte überhaupt nicht hinein. Die Dramaturgie ist schlampig (die zeitlichen Abläufe stimmen nicht), und die Zeichnung der Figuren ist krude, vor allem die des TV-Produzenten, der wirkt, als würde er nach Schwefel riechen.
Noch größeres Unheil droht dem Film vonseiten seiner unentwegten Rührseligkeit. Die an Erfolgen wie „Knocking On Heaven’s Door“ und „Absolute Giganten“ orientierte Buddy-Tragödie lässt uns zu keiner Zeit die Nähe von Witz und Frechheit oder den Backstage-Pragmatismus des Showgeschäfts auch nur ahnen. Für die zentrale Motivation des kranken Alex, einmal im Leben so richtig leidenschaftlich geliebt werden zu wollen,  ist die genuin mitleidslose Unterhaltungsindustrie ein seltsamer Erfüllungsort.
Was „Der Himmel kann warten“ weiterhin beschädigt, ist der tragisch frühe Tod des Darstellers Frank Giering einige Jahre später. Es ist seither sehr schwer, diese Geschichte nicht auf das Schicksal ihres Hauptdarstellers zu beziehen. Immerhin hat der Lauf der Zeit für ein paar Kabinettstückchen gesorgt: die spätere Allzweck-Entertainerin Barbara Schöneberger in einer Nebenrolle oder das Philosophieren über die Unmöglichkeit von weiblichen Comedians erscheinen heute in neuem Licht.

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