Gesundheit! (2)

betr.: Verletzungen auf der Bühne

Fortsetzung vom 1. August 2021

Wie verhält es sich nun aber mit der Stabilität von Dirigenten? Zu dieser Berufsgruppe liegt uns eine Anekdote vor, in deren Zentrum Georg Solti steht. Sie deutet darauf hin, dass Verletzungen vor Publikum in der Klassik durchaus möglich sind und sogar vom Patienten wahrgenommen werden.

1976 gab Solti in der Metropolitan Opera in New York ein Gastspiel mit dem Pariser Opernensemble, gegeben wurde Mozarts „Hochzeit des Figaro“. „Ich konnte mich nicht daran gewöhnen“, erzählte der Maestro später, „dass das Licht am Dirigentenpult höher angebracht war als gewöhnlich. Zum Ausgleich hob ich die Arme höher als sonst.“ Zu Beginn des 3. Aktes, als der Graf gerade seine fiesen Intrigen gegen den verliebten Figaro spinnt, passierte es: mitten in der temperamentvollen und temperamentvoll dirigierten Musikpassage landete die Spitze des Taktstocks im Kopf des Dirigenten. Solti spürte, wie ihm das Blut übers Gesicht lief. „Ich dirigierte weiter und versuchte, das Blut mit dem Taschentuch abzutupfen. Während des vom Cembalo begleiteten 20sekündigen Rezitativs im Anschluss an die Arie verließ ich den Orchestergraben, befeuchtete das Taschentuch an einem Wasserhahn hinter der Bühne, drückte es mir fest an den Kopf und kehrte zurück.“
Bis zu diesem Augenblick hatte im Publikum noch niemand etwas mitbekommen, denn die Verletzung war ja auf der dem Saal abgewandten Seite passiert. Doch leider bemerkte der Inspizient das verwaiste Dirigentenpult und gab das Signal für den Vorhang. Der begann sich zu schließen. Da kam Solti zurück, und er öffnete sich wieder.
An der bürokratischen Arbeitsauffassung des Hauspersonals konnte Georg Solti nichts ändern, aber er legte sich einen Taktstock mit abgerundeter Spitze zu. Es hatte nämlich zuvor schon einen ähnlichen Zwischenfall gegeben, bei dem es seine linke Hand erwischt hatte.

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