Für’n Schlagerprogramm muss es reichen …

betr.: „Servus Peter – Oh là là Mireille“

Zum ersten Mal seit knapp 30 Jahren habe ich mir gestern das Vergnügen gegönnt, die „Geschwister Pfister“ abendfüllend live zu sehen. Ein Kollege und lieber Freund hatte mich dazu überredet. Er war nämlich der Meinung, ich ginge zu hart mit den Jungs („Fräulein Schneider“ spielt diesmal nicht mit) ins Gericht. Ich hielt ihre Shows immer für zu lang und vermisste bei aller liebreizenden Virtuosität das Herzige, das Echte. Für mich waren die Pfisters – sorry für den Kalauer! – wie eine Schweizer Uhr: formschön, präzise, zuverlässig, hochwertig – aber frei von allem, was mich anrühren oder wärmen könnte. Als wir den gemeinsamen Theaterabend planten, frotzelte ich, es müsste lustig sein, eine Rahmenhandlung für diese Truppe zu schreiben (etwa sowas: verrückter Wissenschaftler baut lebensechte, perfekt aussehende und musizierende Samstagabend-Androiden, die aus dem Fernseher ausbrechen …), aber dann wäre das Programm ja noch länger geworden.

What you see is not exactly what you get: Tobi „Toni“ „Peter“ Bonn und Christoph „Ursli“ „Mireille“ Marti

Nach dem Kunstgenuss muss ich mich von beiden Vorbehalten verabschieden. Die Show war keine Minute zu lang und überaus kurzweilig – was hoch zu preisen und auf jeden Fall das Wichtigste ist! Aber auch über zu viel handwerkliche Präzision hatte ich mich nicht zu beklagen. Natürlich war der Liedvortrag technisch blitzsauber, die Choreographie tipptopp, und rein optisch kamen „Toni und Ursli Pfister“ ihren Vorbildern Peter Alexander und Mireille Mathieu sehr nahe – was aber hauptsächlich Kostüm und Maske geschuldet war. Die charakteristische Motorik und die typischen Sprachmarotten der Originale wurden nachlässig eingestreut (so nach dem Motto: ihr wisst ja, wer gemeint ist). Stimmlich war Christoph Marti (Ursli / Mireille) weitgehend er selbst, und Tobias Bonn (Toni / Peter) begnügte sich mit einigen wenigen der klassischen Alexander-Gesten, ließ aber die tanzbärhafte Körperlichkeit des großen Showmasters insgesamt so sehr vermissen, als hätte er nur Fotos und Beschreibungen zur Verfügung gehabt. Ich hätte nie gedacht, dass ich solche Lieblosigkeiten einmal bei einer Aufführung der Geschwister Pfister monieren müsste.

Der Programmzettel weist weder einen Autor noch einen Regisseur aus. Rein menschlich kann man verstehen, dass diese alten Hasen meinen, so etwas nicht mehr nötig zu haben, gerade bei einer Revue. Andererseits hätte es geholfen, ein paar Fehler zu vermeiden.
Peter und Mireille tragen zusammen das berühmte Duett vor, in dem sich über das französische Unvermögen amüsiert wird, den Buchstaben H auszusprechen, und sofort danach singt Ursli ein Lied, das mit besonders sauberen Hs glänzt. Tobi sieht als Anneliese Rothenberger nur albern aus und würdigt sie nicht einmal mit einer treffenden Liedauswahl. Einmal kommt Ursli mit Anzug und schwarzer Perücke heraus, und man denkt: Kreisch! Das ist er! Das ist der leibhaftige Rex Gildo! – nur folgt dann eine Nummer, die am Repertoire als Parodie auf Roy Black erkennbar ist. Der alte Peter-Alexander-Hit „Die kleine Kneipe“ wird arglos wieder hervorgeholt, doch sein Text erweist sich in der heutigen Ära der „Querdenker“ und Stammtischnazis als geradezu beklemmend – was einfach verpufft und keinen der Mitwirkenden interessiert. Ein Kostümwechsel basiert darauf, dass beide Künstler als Peter Alexander auftreten – nur sieht Ursli eher aus wie Hans Rosenthal, und wieder habe ich das Gefühl, da oben hat jemand den eigenen Witz nicht verstanden. … So geht das die ganze Zeit.

Gewiss, im Saal störte sich offensichtlich niemand daran. Ein „Reicht auch so!“ steht solchen Vollprofis trotzdem nicht zu Gesicht. Die Liebe zum Detail hätte bei genau diesem Publikum zu einem noch schöneren Kunstgenuss beigetragen. Wo, wenn nicht dort? Zumal die echten Siebziger Jahre ja tatsächlich beknackt und zum Schieflachen waren.

Der eindrucksvollste Moment und ein Anblick, den ich nie vergessen werde, war Urslis Auftritt als Heintje. Ich glaube, an dieser Stelle gab es den lautesten freistehenden Lacher. Christoph Martis unverändert zierliche Statur erlaubte ihm, den holländischen Kinderstar (wiederum ohne die stimmliche Ebene) irritierend echt wieder herzustellen. Der Kopf auf diesem possierlich herumhüpfenden Kinderkörper sah aus, als wäre Heintje gerade aus einer Zeitkapsel gestiegen und darin weitergealtert, ohne es selbst gemerkt zu haben. 

Der selbe Abend hätte mich nicht nur nett unterhalten, sondern nachhaltig verzaubern können. Sowas gehört in dieser Gewichtsklasse eigentlich zum Service.

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