Stolperfalle für Erstleser

betr.: Sprechen am Mikrofon / Lesen vom Blatt

Beim Erstlesen stolpern wir zuweilen über Textstellen, die uns als unglücklich erscheinen weil wir sie auf den ersten Blick für fehlerhaft halten können. In Wahrheit sind sie korrekt und lediglich missverständlich, da sie auf mehrere Arten lesbar sind, von denen aber nur eine im Textzusammenhang einen Sinn ergibt.
Nur beim Selberlesen können wir darüber stolpern. Würden sie uns korrekt vorgelesen, wären sie ganz unauffällig.

Ein Beispiel findet sich in einem Vorwort von W. Somerset Maugham.
Richtig ist die Betonung allein auf dem Adjektiv:

Ein Schriftsteller ist wahrscheinlich die letzte Person, die fähig ist, über das eigene Werk zu schreiben.

Danach rollt der Satz einfach seinem Ende entgegen, ohne Pausen und Melodie.
Als ich ihn las, verstand ich ihn falsch und betonte so:

Ein Schriftsteller ist wahrscheinlich die letzte Person, die fähig ist, über das eigene Werk zu schreiben.

Es bildete sich ein Sinnbogen, der vom Adjektiv bis zum Satzende reichte. Nun bedeutete der Satz nicht mehr: Ein Autor sollte das Schreiben über seinen Text besser anderen überlassen, sondern: Nach dem Autor eines Textes kann niemand mehr in Erscheinung treten, der etwas darüber schreibt.
Nicht auszudenken, wenn der Autor es so gemeint hätte …

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