Kartoffeldrucker 2000

betr.: 547. Todestag von Johannes Gutenberg

In meiner Lehrzeit in Süddeutschland war ich ein sogenannter „Sohn Gutenbergs“, d.h. ich wurde im „grafischen Gewerbe“ unterwiesen, das sich damals in der stolzen Tradition des Erfinders der Buchdruckerkunst wahrnahm und das heute unter dem Sammelbegriff „Holzmedien“ als Auslaufmodell verspottet wird. Das macht nichts – Totgesagte leben ja bekanntlich länger.
Mein Ausbildungsberuf war zwar ein Kompromiß – ich wollte immer schon zur Bühne oder wenigstens zum Radio – aber Printmedien interessierten mich (vor allem Comics) – und für eine Medienkarriere galt ich mit 16 noch als zu jung – die Zeiten haben sich geändert.
So schlug ich drei Jahre mit dieser Ausbildung tot.
Ich ging bei einer regionalen Tageszeitung in die Lehre, deren „Technischer Leiter Akzidenz“ (Druckaufträge, die nichts mit der Tagespresse zu tun hatten) ein Apparetefreak war. Jedes neue Gerät wurde sofort angeschafft, um zu den Kunden bei ausgiebigen Betriebsrundgängen sagen zu können: „Sehense maaa‘, wir ham hier schon das Neuschde!“ Selbstverständlich waren die meisten dieser Maschinen noch gar nicht ausgereift. Besondere Freude hatten wir mit dem „Opty-Copy“ (einem begehbaren Leerlaufgebilde, das die Bogenmontage überflüssig machen sollte).
Mein Ausbildungsziel war nicht unbescheiden: man wollte mich zu einem der ersten Exemplare einer reprotechnischen Superrasse heranzüchten, die vom Erhalten der Vorlage (Text, Foto, Zeichnung) bis zur Ablieferung der fertiggestellten Druckplatte zu allen Arbeitsschritten in der Lage war, eine Art berittener Gebirgsmatrose. Ich machte zwar meinen Gesellenbrief, habe den Beruf aber nie ausgeübt. (Das Berufsbild setzte sich insgesamt nicht durch – vermutlich hatte das auch mit dem Siegeszug des Computers zu tun.)
Was nahm ich also wirklich aus meiner Lehre mit? – Ich lernte viel über menschliches Zusammenleben.

Einmal die Woche war Berufsschule. In Sozialkunde unterrichtete uns ein norddeutscher Herr mit leiser, pointierter Sprechweise. Anläßlich eines Unterrichts, in dem wir uns über Familienbetriebe unterhalten hatten, richtete er die Frage an uns: „Welche Gründe gibt es für ein junges Paar, sich Kinder zuzulegen?“
Es gab zahlreiche Wortmeldungen: Man hat ein Haus gebaut, in dem jemand wohnen kann, wenn man selber mal nicht mehr da ist. Man ist dann im Alter nicht so alleine, und möglicherweise wird man von seinen Kindern später ja sogar gepflegt. Vielleicht gibt es ja auch einen Familienbetrieb, den der Nachwuchs weiterführen kann – eine Tischlerei oder einen Fischladen. Man kann seine Kinder klug verheiraten (- das wurde wirklich auch gesagt!). Und überhaupt: das Kind könnte ja auch versehentlich gekommen sein.
Unser Lehrer hörte sich das eine Weile an, dann gefiel es ihm, uns noch einen Tipp zu geben: „Es könnte doch auch sein, dass sich zwei Menschen ein Kind wünschen, um es einfach liebzuhaben.“
„So’n Quatsch!“ entfuhr es mir – ich hatte mich vorher nicht gemeldet.
„Buuuh!“ rief die ganze Klasse.
„Moment“, meinte der Lehrer. „Nachdem Ihnen diese Möglichkeit eben nicht selbst eingefallen ist, finde ich Ihre Empörung über Herrn Arnold reichlich scheinheilig.“

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