When Nonsense Was King

betr.: 74. Geburtstag von Karl Dall

Eine Faustregel der Bühnenkunst besagt, man solle sich nicht vorher entschuldigen, so nach dem Motto: „Diese Künstlerin ist gestern erst eingesprungen, bitte um einen besonderen Applaus!“ oder „Ich bin übrigens sehr erkältet – üben Sie Nachsicht, falls es danebengeht!“ – Wenn man dem Publikum nämlich beteuert, was man da mache sei Mist, dann kann man davon ausgehen, dass einem geglaubt wird.
Oft beschwert und beklagt man sich auch gleich bei sich selbst: Nirgendwo auf der Welt wird wohl so häufig darüber gejammert, die Deutschen hätten keinen Humor, wie in Deutschland.

Ich erinnere mich jedenfalls an eine Zeit, in der es in unseren Medien allerhand zu lachen gab. In den 70er Jahren gab es das deutsche Programm von Radio Luxemburg, Synchronfassungen von Rainer Brandt („Die Zwei“, „Männerwirtschaft“ …) und gedruckte Geniestreiche wie das deutsche „MAD“ (das vom späteren Harald-Schmidt-Sündenbock und von der noch späteren beleidigten Leberwurst vom Dienst Herbert Feuerstein fabelhaft ins Deutsche übertragen wurde). Gewiß: das läßt sich hier nur denen erläutern, die schon damals über Filmparodien wie „Das Geheimnis des verbogenen Krempels“, „Der Psycho-Pate“ oder „Das Primi-Tiefe“ herzlich wiehern konnten …
In Fix-und-Foxi-Heften fand man blühenden Blödsinn (vor allem aus dem Munde von Lupo), und im Fernsehen lief „Klimbim“, ein sogenannter „Straßenfeger“, den ich nicht sehen durfte, weil Ingrid Steeger so ein Luder war.

A propos Fernsehen: die damals angesagten Starhumoristen blieben obenauf bis zu ihrem Tode (Jürgen von Manger alias Adolf Tegtmeier, Rudi Carrell) bzw. bis heute (Loriot, Mike Krüger, Dieter Hallervorden …). Eine Otto-Platte im Haus war fast wichtiger als ein Kraftfahrzeug – und man lachte sich als Halbwüchsiger darüber tot, auch wenn man die unzähligen schweinischen Anspielungen noch gar nicht verstand. Ums Kinderprogramm kümmerten sich Heiterkeitsakademiker wie Eberhard Storeck („Die Muppet Show“, „Der rosarote Panther“), Heinz Caloué und Hanns Dieter Hüsch („Zwei Herren Dick und Doof“), und sogar Theo Lingen war noch da und machte eine Sendung nach der anderen (im Abendprogramm).
Nonsens, ein Wort, das mit „Kinderkram“ vielleicht besser übersetzt ist als mit dem, was wir heute unter „Comedy“ verstehen, war nicht nur ein Modewort, es war eine wichtige (wenn auch offiziell ungenannte) Programmfarbe in unserem Fernsehangebot.

Ach ja: und es war die große Zeit der Blödelbarden, in der mit ungeheurem handwerklichem Ernst der gröbste Unfug verbrochen wurde – von Schobert und Black („Nur ungern nimmt der Handelsmann statt baren Geldes Stuhlgang an!“), Torfrock („Rattatazong, rattatazong, weg ist der Balkong! Dong!“) oder Ulrich Roski („Du hast auf mein Kotelett geniest, Karl-Heinz! Ich halte dies für das Benehmen eines Schweins!“). Und natürlich von „Insterburg & Co.“ incl. Karl Dall. Sogar der besinnliche E-Künstler Reinhard Mey war zum Brüllen – mit seinem „Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars“ oder „Zwei Herren im Dreiviertel-Frack“.

Auch vor der „Tagesschau“ machte die Selbstironie nicht halt!
In der Kindersendung „Emm wie Meikel“ besuchte der Titelheld (eine herumlabernde, vorwitzige Klappmaulpuppe) mit der liebenswerten Hanni Vanhaiden (der tapferen, geduldigen, vernünftigen Begleitperson) den NDR, wo die Nachrichten gemacht werden. Ein Fernseher stand auf dem Tisch, in dem ein echter Tagesschaumann eben bei der Arbeit war (es könnte Wilhelm Wieben gewesen sein). Meikel veräppelte seine Begleiterin und sagte: „Da ist ein kleiner Mann in der Kiste! Mit dem will ich mal reden!“ Frau Vanhaiden stieg voll drauf ein: „Aber Meikel! Sowas geht doch gar nicht!“ Meikel klopfte gegen den Bildschirm, und tatsächlich blickte der Sprecher von seinem Blatt auf und antwortete ihm.
Ätsch, Frau Erwachsene! – Was haben wir gelacht!
So ernst wurde man damals als Teil der jugendlichen Zielgruppe genommen.

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Eine Antwort zu When Nonsense Was King

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