Robin Williams im Reißwolf

betr.: „Robin Williams – Seine letzten 24 Stunden“ bei VOX

Gestern nacht gab es bei VOX eine Sendung, die von 1,1 Millionen Zuschauern gesehen wurde: Robin Williams – Seine letzten 24 Stunden“. Sie praktizierte genau das, woran der Künstler, der sich im vergangenen August das Leben nahm, vermutlich gescheitert ist. Die Sendung überschlug sich in übereifrigen Hymnen und jener Form von On-Camera-Zuneigung, die sich weder so recht glauben noch zwischenmenschlich empfangen läßt. Den Titel wird kein Zuschauer geglaubt haben, denn natürlich war das tragische Ende von Robin Williams nur die Klammer, in der sich ein breiteres Portrait entfalten durfte. Schon in der vergleichsweise stramm erzählten Sendereihe „Final 24 – Die letzten 24 Stunden von …“ wurde das ja vorgemacht, und auch in Buchform hat es schon stattgefunden.

Hochinteressant war die Sendung trotzdem. Nicht, weil man über den Star allzuviel Neues erfahren hätte. Vielmehr weil die Videoclip-Struktur, die in TV-Portraits heute üblich ist – sogar arte arbeitet sich auf diesem Weg weiter und weiter vor – hier in ihrem aktuellen Endstadium zu bestaunen war. So wird das „letzte Interview“ mit Williams zwar erwähnt und angesteasert, aber niemals auch nur in Ausschnitten gezeigt, die länger als wenige Sekunden dauern. (Aber warum auch nicht? Kein O-Ton darf heute länger als wenige Sekunden dauern!) Die Idee, Willams‘ besonderer Stil, das Publikum anzuspringen, seine Art von Humor könnten sich verbraucht haben, wird eisern geleugnet, manifestiert sich aber hintenrum durch den unvermeidlichen Hinweis, dass seine letzte TV-Serie frühzeitig wieder abgesetzt werden mußte. Das Finale wird in Guido-Knopp-Manier als saftiger Gruselschinken nachgespielt und mit den gleichen Musikeffekten unterlegt, die wir aus „CSI-Miami“ kennen.
In all dem Trubel gibt es nur ein inhaltlich wirklich aufschlußreiches, vollkommen ehrliches Statement – gerade die wirklichen Fans von Robin Williams dürften das zu schätzen gewußt haben. Es ist der Hinweis eines nicht-prominenten Zeitzeugen, der Schauspieler habe mit einem einzelnen Gegenüber nichts anzufangen gewußt und habe sogar den Blickkontakt gemieden. Seien wenigstens zwei Menschen in seiner Nähe gewesen, hätte er sie als Publikum wahrnehmen und entsprechend mit ihnen umgehen können. Das ist von tragischer Ironie, ein unbedingt glaubwürdiger Moment und das Selbstmordmotiv, nach dem die Sendung immer wieder fragt.

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