Der Song des Tages: „A Hard Day’s Night“*

betr.: 35 Todestag von Peter Sellers

Mehr als dreißig Jahre nach seinem Tode ist Peter Sellers möglichweise der Komiker, der international die größte Achtung unter seinen lebenden Kollegen genießt. Die Kritiker und Historiker verehren ihn, und auch die reiferen Fans bekennen sich weitaus lieber zu ihm als zu anderen Helden ihrer Jugend wie Jerry Lewis oder Louis de Funès.
Monty-Python-Star John Cleese schilderte vor wenigen Jahren, welches Ereignis die „Goon Show“ gewesen sein muß, eine BBC-Radiocomedy der 50er Jahre, zu deren Ensemble Sellers gehörte: „Ich war geradezu davon besessen. Ich hörte mir jede Sendung an und zwei Tage später die Wiederholung – wenn ich alles mitbekommen wollte; manchmal ging ein Gag im allgemeinen Gelächter unter. Ich lag dann auf dem Bett mit dem Radio am einen und einem Kissen auf dem anderen Ohr und versuchte, den Satz zu verstehen, den ich zwei Tage zuvor verpasst hatte.“

Mit Peter Sellers‘ Aufstieg zu internationalem Filmruhm begann seine persönliche Tragödie. Der stieg ihm nämlich zu Kopfe und erlaubte einer Unzahl persönlicher Furien, ihn zu hetzen, mit denen er seine Mitwelt verstörte und sein berufliches wie privates Leben sabotierte. Er setzte mehrere Ehen in den Sand – darunter eine mit der begehrten Blondine Britt Ekland – legte wenig Geschick bei der Auswahl seiner Projekte an den Tag, stieß mit kreativer Inbrunst Freunde, Angehörige, Kollegen und Förderer vor den Kopf und rieb seine Gesundheit in monströsen Exzessen auf. Der Film „The Life And Death Of Peter Sellers“ scheitert auf der ganzen Linie bei dem Versuch, diese grandiose Horrorstory nachzuerzählen.

Sellers leuchtete der Wahnsinn aus den Augen, wie ein berühmter Bewunderer bemerkte. Seine Talente waren vielfältig – obschon er dem heutigen Publikum vor allem in seinen Inspektor-Clouseau-Farcen gegenwärtig ist. Sein Timing war perfekt, er war ein begnadeter Parodist und schätzte es, sich zu verkleiden. Folgerichtig spielte er in mehreren seiner Filme gleich mehrere Rollen – so auch in Stanley Kubricks Klassiker „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ – und hatte hierzulande eine Reihe hochrangiger Synchronsprecher: Harald Juhnke, Jürgen Thormann, Georg Thomalla u.a.**

In seiner 30jährigen Karriere klafft eine Dekade der Flops und persönlichen Krisen. In diese Zeit fällt eine seiner Glanzleistungen: ein Auftritt in einer TV-Show, in der die Beatles und ihr Repertoire gefeiert wurden.
Sellers gibt sich natürlich nicht damit zufrieden, eine simple musikalische Parodie auf „A Hard Day’s Night“ abzuliefern, er verkleidet sich außerdem als Sir Laurence Olivier, der Richard III. spielt.

Nachsichtig betrachtet, endet sein Werk mit der gefeierten Medien- und Politsatire „Willkommen, Mr. Chance“. Es folgte noch eine trashige Krimiklamotte und eine posthume Clouseau-Montage aus Schneideabfällen. Diese und die übrigen Clouseau-Filme sind jene mit Peter Sellers, die am häufigsten im Fernsehen gezeigt werden.

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* in der Version von Peter Sellers, auf Youtube zu finden.
** Für seinen besten Filmauftritt halte ich persönlich den verkoksten Theaterautor Claire Quilty in „Lolita“. Selten hat ein Komödiant ein verkommeneres Subjekt gespielt.

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3 Antworten zu Der Song des Tages: „A Hard Day’s Night“*

  1. Hans-Bernhard Barth sagt:

    „Der Film ‚The Life and Death of Peter Sellers“ scheitert auf ganzer Linie bei dem Versuch, diese grandiose Horrorstory nachzuerzählen.“

    Nun, das könnte auch an der Quelle für das Drehbuch gelegen haben, der gleichnamigen Biografie (1995) von Roger Lewis.
    Getreu der lateinischen Weisheit „Nemo contra deum nisi deus ipse“ hat da allem Anschein nach ein Besessener über einen anderen Besessenen geschrieben, und die Struktur des Buches (noch in der Taschenausgabe ein monströser Klotz von fast 1200 [!!!] Seiten) bildet nach meiner Auffassung ziemlich genau die Struktur von Sellers‘ Leben ab, das nach seinem gerade noch so eben überstandenen ersten Herzkasper 1964 auseinanderflog, weil Sellers sich hernach völlig von der Leine ließ (im Englischen gibt’s für sowas den ziemlich plastischen Ausdruck ‚to become unhinged‘, der mit „aus den Angeln gehen“ nur unzulänglich übersetzt wäre). Ab da bleibt wohl auch jeder Versuch müßig, irgendeine lineare Struktur in die verbleibenden knapp sechzehn Lebensjahre von Sellers bringen zu wollen, es sei denn man erzählte buchhalterisch die Zeitleiste seiner Filme und sonstigen Engagements herunter (die mit den wirklichen Begebenheiten in seinem Rest-Leben nur ganz entfernt etwas zu tun hätte) — was Lewis‘ Buch nicht tut: Stattdessen springt es, wie sein Themengeber, erratisch vor und zurück und seitwärts und wieder retour zu den jeweiligen, flüchtigen, fortwährend wechselnden Brennpunkten von Sellers‘ Aufmerksamkeit (wobei „Aufmerksamkeit“ hier im breitest möglichen Sinne verstanden sei).

    Bezeichnenderweise klinkt sich der Film just an der Stelle aus, wo Sellers nach dem ersten von mehreren Zerwürfnissen mit seinem „Lieblingsregisseur“ Blake Edwards den Burgfrieden schließt, der zum Film „Der Partyschreck“ führen sollte. Von dort an war es mit jeder Folgerichtigkeit und Berechenbarkeit in Sellers Leben endgültig vorbei — Edwards konnte ein Lied davon singen…

    Lewis‘ Buch ist eine eindrucksvolle Fleißarbeit an den Originalquellen, und eine Ausdauerleistung von unglaublicher Detailfülle und großem Umgriff, welcher lange vor Sellers‘ Geburt zurück- und weit über seinen Tod hinausgreift — aber ausgesprochen hartes Brot für jede/n Leser/in. Mich hielt über Wochen bloß das Interesse am Thema bei der Stange; etwas annähernd Vergleichbares war mir bisher nur mit Arno Schmidts Fouqué-Biografie untergekommen, wo auch ein Wahnknabe über einen anderen schrieb…
    Erschwerend kommt hinzu, dass „The Life and Death of Peter Sellers“ m.W. bis jetzt in keiner deutschen Übersetzung existiert. (Schaut man sich aber die mäßige Qualität handelsüblicher Sachbuch-Lohnübersetzungen aus dem Englischen an, muss dies kein allzu großer Verlust sein.) Lässt man sich dennoch auf das Buch ein (ISBN-13 978-0099747000), wird man davon aber auf keinen Fall dümmer…

    (I’m most definitely hooked on your blog 😀 )

    • Hans-Bernhard Barth sagt:

      „Der Film ‚The Life and Death of Peter Sellers“ scheitert auf ganzer Linie bei dem Versuch, diese grandiose Horrorstory nachzuerzählen.“

      Nun, das könnte auch an der Quelle für das Drehbuch gelegen haben, der gleichnamigen Biografie (1995) von Roger Lewis.
      Getreu der lateinischen Weisheit „Nemo contra deum nisi deus ipse“ hat da allem Anschein nach ein Besessener über einen anderen Besessenen geschrieben, und die Struktur des Buches (noch in der Taschenausgabe ein monströser Klotz von fast 1200 [!!!] Seiten) bildet nach meiner Auffassung ziemlich genau die Struktur von Sellers‘ Leben ab, das nach seinem gerade noch so eben überstandenen ersten Herzkasper 1964 auseinanderflog, weil Sellers sich hernach völlig von der Leine ließ (im Englischen gibt’s für sowas den ziemlich plastischen Ausdruck ‚to become unhinged‘, der mit „aus den Angeln gehen“ nur unzulänglich übersetzt wäre). Ab da bleibt wohl auch jeder Versuch müßig, irgendeine lineare Struktur in die verbleibenden knapp sechzehn Lebensjahre von Sellers bringen zu wollen, es sei denn man erzählte buchhalterisch die Zeitleiste seiner Filme und sonstigen Engagements herunter (die mit den wirklichen Begebenheiten in seinem Rest-Leben nur ganz entfernt etwas zu tun hätte) — was Lewis‘ Buch nicht tut: Stattdessen springt es, wie sein Themengeber, erratisch vor und zurück und seitwärts und wieder retour zu den jeweiligen, flüchtigen, fortwährend wechselnden Brennpunkten von Sellers‘ Aufmerksamkeit (wobei „Aufmerksamkeit“ hier im breitest möglichen Sinne verstanden sei).

      Bezeichnenderweise klinkt sich der Film just an der Stelle aus, wo Sellers nach dem ersten von mehreren Zerwürfnissen mit seinem „Lieblingsregisseur“ Blake Edwards den Burgfrieden schließt, der zum Film „Der Partyschreck“ führen sollte. Von dort an war es mit jeder Folgerichtigkeit und Berechenbarkeit in Sellers Leben endgültig vorbei — Edwards konnte ein Lied davon singen…

      Lewis‘ Buch ist eine eindrucksvolle Fleißarbeit an den Originalquellen, und eine Ausdauerleistung von unglaublicher Detailfülle und großem Umgriff, welcher lange vor Sellers‘ Geburt zurück- und weit über seinen Tod hinausgreift — aber ausgesprochen hartes Brot für jede/n Leser/in. Mich hielt über Wochen bloß das Interesse am Thema bei der Stange; etwas annähernd Vergleichbares war mir bisher nur mit Arno Schmidts Fouqué-Biografie untergekommen, wo auch ein Wahnknabe über einen anderen schrieb…
      Erschwerend kommt hinzu, dass „The Life and Death of Peter Sellers“ m.W. bis jetzt in keiner deutschen Übersetzung existiert. (Schaut man sich aber die mäßige Qualität handelsüblicher Sachbuch-Lohnübersetzungen aus dem Englischen an, muss dies kein allzu großer Verlust sein.) Lässt man sich dennoch auf das Buch ein (ISBN-13 978-0099747000), wird man davon aber auf keinen Fall dümmer…

      Ach so — Sellers‘ Ehefrau Nummer Zwo war mitnichten Anita Ekberg, sondern vielmehr die damals blutjunge Britt Ekland… aber „was aus Schweden mit ‚E‘ vorne“ stimmte schon… (prust):
      Die wusste zuerst kaum wie ihr geschah, als Sellers um sie warb, und fand sich wenige Jahre später — mit Kind, durch Sellers demolierter Schauspiel-Karriere und verwüstetem Leben — am Rande des Nervenzusammenbruchs wieder. Dass sie aus diesen Randbedingungen überhaupt auf die Füße und in ihren Beruf zurückfand, gleicht einem mittleren Wunder und spricht für die erhöhte Grundresilienz der Menschheitshälfte ohne Chromosomendefekt…. (grins)

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      • montyarnold sagt:

        Vielen Dank für die erhellende Ergänzung.
        Die Verwechslung der beiden Damen ist natürlich ärgerlich und wird ausgeputzt.

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