Kammerspiel über das Vergessen

betr.: „The Father“ mit Anthony Hopkins, heute abend in der ARD

Filmszenen, in denen sich am Ende alles als Traum herausstellt, sind unbefriedigend und stets ein Zeichen der Verlegenheit, aus einer Nummer erzählerisch wieder herauszukommen. Wenn hingegen in der Schwebe bleibt, was wahr und was Illusion ist, kann ein Film sein Publikum verwirren oder – im besten Fall – auf kleiner Flamme rösten. Ich neige dazu, in solchen Fällen das infrage Gestellte für bare Münze zu nehmen: den Mord in „Blow Up“ etwa oder die verderbte Gefährlichkeit der Heldin von Paul Verhoevens Erotik-Thriller „Der vierte Mann“. Bei „The Father“ hilft mir das überhaupt nicht weiter.

Sein zweiter Academy Award als bester Hauptdarsteller für „The Father“ machte Anthony Hopkins (mit Olivia Colman) zum ältesten Oscar-Gewinner aller Zeiten. Foto: NDRHomepage

Der französische Autor und Regisseur Florian Zeller, der sein Bühnenstück 2020 fürs Kino adaptierte, erinnert uns immerzu daran, dass wir keiner Szene trauen dürfen, denn sie könnte ja in einem Hirn entstanden sein, das gerade im Begriff ist, sich aufzulösen. Da wir immer so viel wissen (oder vergessen) wie der Titelheld, wird das von einem dramaturgischen Kniff zu unserem ganz persönlichen Problem. Wir erleben den grauenvollen Prozess der fortschreitenden Demenz in allen Einzelheiten am eigenen Leibe. Selbst kleine Unverschämtheiten unserer Umwelt, haben das Zeug, uns tief und nachhaltig zu verunsichern.
„The Father“ dürfte das geglückteste Spiel mit dem (eigenen) Wahnsinn sein, seit Herk Harvey mit „Carnival Of Souls“ (deutsch etwas banaler: „Tanz der toten Seelen“) einen bahnbrechend verstörenden Film drehte – und danach sofort im Vergessen der Filmgeschichte versank.

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