Der Insider

betr.: 87. Geburtstag von Minnie Mouse

Hier kommt ein Interview, das ich im Jahre 1999 mit einem Pionier des amerikanischen Zeichentrickfilms führen durfte:

 

     Monty Arnold: Bei uns zu Gast im Studio ist heute Isidore Prattwerks, der verdienstvollste und älteste noch lebende Pionier des amerikanischen Zeichentrickfilms. Ich freue mich, daß Sie die Zeit gefunden haben, heute mit uns …

.    Isidore Prattwerks: Ach, das geht schon in Ordnung. Ich bin 94. Ich weiß gar nicht, wohin mit meiner Zeit. Was wollen Sie denn wissen?

Gibt es etwas, was Sie in den vielen Jahren, in Ihrem langen Leben …

Aber ja. Das Schlimmste ist, daß mir unentwegt solche Wischiwaschi-Fragen gestellt werden … Das ist wirklich das Allerschlimmste am Altwerden.

Ach, wirklich ..?!

Naja, und dann wollen immer alle mit mir über Mickymaus reden – so wie der arme Billy Wilder immer über die Monroe reden mußte. Als ob er sonst nichts gemacht hätte als diese zwei Filme mit der Monroe, wo der Rock über dem Gully hochfliegt …

Na, worüber würden Sie denn gerne reden?

Also die Mickymaus, die war ja am Anfang ‘ne Ratte – und hatte sooo’n Ding. Das ging natürlich auf Dauer nicht, schon gar nicht im Kinderprogramm! Die mußte sich schon’n bißchen umstellen…

Was geht’s der eigentlich heute … so privat? Ich meine, ein bißchen ruhiger ist es ja in den letzten Jahren schon um sie geworden.

Die Mickymaus, die ist doch lange tot!

Die Mickymaus ist tot?

Naja, die richtige Mickymaus! Die starb schon sehr früh … das muß Anfang der 40er Jahre gewesen sein. Da hatte sie zusammen mit Kater Karlo – die beiden waren ja privat die dicksten Freunde – eine Bergtour gemacht. Und da ist sie dann … zu Schaden gekommen.
Da Micky aber inzwischen zu einer Art Trendsetter geworden war, war Ersatz schnell gefunden. Die neue Mickymaus, eine Laboratoriumsmaus aus Pittburgh, kam erstmals in dem Film „Fantasia“ zum Einsatz.

Und die neue sah genauso aus?

Fast. Bis auf die Augen. Die alte Mickymaus hatte so schwarze Pünktchen-Augen gehabt. Die neue hatte so weiße Augen … mit einem schwarzen Pünktchen drin. Wie sich das ja bis heute gehört.

Wir wollen mal zu Minnie kommen – wie haben die beiden sich kennengelernt?

Naja, das Studio bestand auf einer festen Partnerschaft – für die Presse und so – und dann haben die die Minnie in einer Viertelstunde heruntergekritzelt, in aller Eile. Das rächte sich natürlich. Die beiden konnten sich überhaupt nicht riechen. Minnie hat die Rolle auch bald abgegeben. Sie wollte mehr Käse, und da wurde sie ausgewechselt.
In den Kriegsjahren waren Naturalien ja auch rationiert …
Die Original-Minnie ist später beim Fernsehen versauert, hat aber in den 80er Jahren noch eine sehr schöne Altersrolle bekommen – in „Mrs. Brisby und das Geheimnis von Nimh“. Als Ratte. Die hat später nur noch Ratten gespielt. Kurz vor Ihrem Tode wurde sie noch zum „Säugetier des Jahres“ gewählt…obwohl sie sich selbst ja immer als Nagetier begriffen hat.

Wie war das Verhältnis zu Goofy?

Goofy war privat ein sehr stiller, religiöser Typ. Sehr kollegial. Fabelhafter Cellospieler. Und er hat in seiner Freizeit Gedichte geschrieben.
Unter Pseudonym natürlich.
Er ging in den 60er Jahren nach Frankreich – die Franzosen verehren ihn ja sehr. Geradezu hündisch. Dort hat er auch geheiratet. ‘n kleines Mädel aus der Provence, schöner Kopf, gut gewachsen…

Lassen Sie uns über Donald Duck sprechen – Donald, was war das für ein Mensch?

Ich hab ihn kaum gekannt. Wir haben uns mal auf einem Grillfest getroffen, bei den Supermans. Donald machte sich ja nicht viel aus dem ganzen Rummel… Der hat noch lange als Gagschreiber für Disney gearbeitet. War ja ein schlauer Kopf! Er hat die meisten Drehbücher selbst geschrieben – viele wissen das ja gar nicht. Naja, Disney wollte auch nicht, daß das bekannt wird. Donald hat später die Blaue Elise geheiratet. Die aus den Freleng-Studios.
Daraufhin kam es zum Bruch mit den Disneys.
Ein handfester Skandal – würde heute keiner mehr ein Wort drüber verlieren, aber … so war das damals.

Es gab sicher Personen, die insgesamt einen skandalöseren Ruf hatten … ich denke da z.B. an Fritz The Cat …

Ach, so schlimm war der gar nicht. Natürlich, er hat ganz schön rumgemacht – und Drogen genommen, und was man sonst so tut, wenn man sich als toller Hecht fühlen will, aber vom Leben verstand er nichts. Ein Prolet, wissen Sie. Der Kerl war als Persönlichkeit etwa so schillernd wie Woody Woodpecker oder … Barney, der Bär.

Gab es für Sie damals eigentlich so etwas wie eine Ausbildung. Eine Lehrzeit, die man durchlaufen mußte?

Aber sicher. Sie kennen doch diese Geschichte mit dem Picknick. Zwei Trickfiguren machen einen Ausflug und campieren im Wald oder in den Bergen. Die Ameisen kommen und stehlen dann das Essen, und irgendwann kommt ein Stinktier vorbei und ruiniert endgültig den ganzen Ausflug. Sie müssen mal drauf achten. Immer, wenn den Regisseuren nichts mehr einfällt, kommt ein Stinktier und beendet den Film. Das Stinktier ist sozusagen die Nemesis des amerikanischen Cartoons – so wie die Ameisen die Boten des Unglücks sind. Die Darsteller dieser Tierarten hatten es auch im bürgerlichen Leben nicht leicht, damals in Hollywood.

Ist jemand unter die Räder gekommen, der Ihnen etwas näher stand?

Nicht direkt. Also, Terry, die Termite war schon ein verdammt begabter Bursche, an den Sie sich nicht erinnern werden. Er hat immer nur Schädlinge gespielt.
Es war ein bißchen wie in der McCarthy-Ära…

Interessant – aber, um nochmal auf das Picknick zurückzukommen – alle Cartoonfiguren mußten da durch? Wirklich alle?

Aber klar. Zunächst einmal die Solisten: Bugy Bunny, Daffy Duck, Huckleberry Hound und Yogi Bär – Paulchen Panther mußte sogar mehrmals hin, der arme Kerl. Keiner kam an dieser Prüfung vorbei. Ein Glück, daß der Diaprojektor sich damals noch nicht durchgesetzt hatte …
Und dann natürlich alle großen Liebespaare: Micky und Minnie mußten zum Picknick, Popeye und Olivia, Horace und Klarabelle – sogar homosexuelle Wohngemeinschaften wie Ahörnchen und Behörnchen, Pixie und Dixie, Herr Rossi und Gastone oder Tom und Jerry. Das war eine harte Bewährungsprobe für jede feste Beziehung!

So ähnlich wie das, was Stanley Kubrick später mit Tom Cruise und Nicole Kidman gemacht hat …

Ach, ich bitte Sie, das war doch ein Witz dagegen!

Eins würde mich noch interessieren: Wie haben sich … wie … wie war denn das mit der Fortpflanzung bei Disney…

— Klopf – Klopf! —

Nanu? Was ist das?

Es klopft!

Es klopft!

Ach ja. Entschuldigen Sie, junger Mann! Das wird das Stinktier sein!

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Eine Antwort zu Der Insider

  1. John sagt:

    Klasse !! Wie es wohl Isidore in den Jahren bis zum Hundertsten ergangen ist …?

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