Harte Hunde auf dem Dorfe

betr.: Die neue Internet-Serie „Deichbullen“ von Michael Söth

Deichbullen

Wer sagt, dass er TV-Serien liebt, wird heutzutage erst einmal so verstanden, dass er „Homeland“, „House Of Cards“ und „Breaking Bad“ liebt, episch angelegte dramatische Produktionen, die den Figuren viel Raum zur persönlichen Entfaltung geben und die in aller Regel eben nicht im Fernsehen konsumiert werden sondern auf jeder anderen Art (tragbarer) Hi-Fi-Geräte. Das liegt zum einen daran, dass das Fernsehen die besten dieser Formate überhaupt nicht ausstrahlt (selber schuld) oder sie eben nur „linear“ präsentieren kann, was dem heutigen Konsumenten kaum mehr vermittelbar ist.
Nun gut, das sind die medienhistorischen Umbrüche, die wir alle zehn, fünfzehn Jahre erleben und an denen man nicht stirbt. Dass die kreative Reaktion darauf nun aber wiederum nicht im Fernsehen stattfindet – deutsche Serien sind so doof wie nie zuvor! – sondern im Internet, ist ein Versäumnis, dass im mehrfachen Wortsinne Folgen haben wird.

Besonders gefährlich für die gute alte Glotze ist es, wenn sich jene ans Werk machen, die sich ihr Handwerk beim Fernsehen erworben haben, z.B. der freie Kameramann Michael Söth.
Seine „Deichbullen“, deren erste Staffel soeben im Internet anläuft, müßten korrekterweise als „Schmunzelkrimi“ rubriziert werden, aber dieser miefige Ausdruck tut dem Werk unrecht. Wie in jedem regulären guten Krimi, sind menschliche Bosheit und Niedertracht hier nur der Vorwand, um etwas lozutreten – also etwas, wofür Hitchcock gern den Ausdruck MacGuffin gebrauchte.
Zwei sehr gegensätzliche ältere Hamburger Polizisten werden aus ihren Revieren in die norddeutsche Tiefebene weggelobt. In Kollmar an der Elbe müssen der Kiezbulle Klaus Kante (René „Chucker“ Chambalu) und der Bürobewohner Hartmut Paulsen (Reverend Christian Dabeler) ein neues Leben beginnen.

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„Deichbullen“ ist ein großer Spaß, aber einen Vorzug, der mir besonders am Herzen liegt, könnte man glatt übersehen. Abgesehen von einigen schimmernden Gastauftritten von Hamburger Publikumslieblingen, besteht das Ensemble zu einem erheblichen Teil aus echten Kollmarern, die sich selbst spielen – und große Selbtironie aufbieten, wenn über ihren ländlichen Lebensstil von den Zugereisten deftig vom Leder gezogen wird. Die beiden Hauptdarsteller wiederum sind vor allem Originale und begnadete Selbstdarsteller. Michael Söth setzt sie alle so fabelhaft in Szene, dass die Serie voller Kabinettstückchen und gelegentlicher komödiantischer Glanzleistungen sitzt.

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Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=mttfOHMZ4sY
Homepage: www.deichbullen.com
Instagram: www.instagram.com/deichbullen

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