Udo Jürgens und der Zeichentrick

betr.: Uraufführung des Trickfilms „Jerry’s Diary“ vor 66 Jahren / Fernsehkult

„Vielen Dank für die Blumen“ ist ein Lied, das jeder mitsingen kann, und in gewisser Hinsicht ist es das letzte seiner Art. Es ist ein Überbleibsel der vor-privaten TV-Ära und als solches ein Kuriosum. Diese deutsche Erkennungsmelodie ist von ihren beiden ur-amerikanischen Helden „Tom und Jerry“ gar nicht mehr zu trennen.
Die Kurzfassung eines Titels vom Udo-Jürgens-Album „Willkommen in meinem Leben“ von 1981 wurde mit dem Zusammenschnitt eines Cartoons zu einem Vorspann zusammengebastelt. Solches Vorgehen war üblich, als der öffentlich-rechtliche Vorabend noch nicht die heutige „Todeszone“ war sondern eine hochambitionierte Kinderstunde, die von Redakteuren wie Gert Mechoff und Siegfried Rabe betreut wurde.

In jenen Tagen gab es zu jeder Kinderserie einen selbstgemachten Ohrwurm, der manchmal so hieß wie die Serie dazu („Trickfilmzeit mit Adelheid“) oder ganz anders („Hey, hey, Wickie“, „Wer hat an der Uhr gedreht?“) – und sie alle waren Hits, die von der Zielgruppe freiwillig auswendig gelernt wurden. Die Bilder dazu waren eine bunte und möglichst unerwartete Montage.
Bei Tom und Jerry war es einfacher.
Die kleine Geschichte, die so verblüffend zu „Vielen Dank für die Blumen“ paßt, stammt komplett aus dem klassischen Siebenminüter „Jerry’s Diary“ von 1949. Kater Tom blättert in Jerrys Abwesenheit in dessen Tagebuch – das ihn ja strenggenommen nichts angeht. Tom, der sich eigentlich vorgenommen hatte, Jerry heute freundlich zu begegnen – mit Konfekt und dem sprichwörtlichen Blumenstrauß – kommt im Laufe der Lektüre zu dem Ergebnis, dass die alte Feindschaft schon ganz in Ordnung ist. Er besiegelt das, indem er dem heimkommenden Jerry die ebenfalls mitgebrachte Torte ins Gesicht pfeffert (- unser Abspann).

Schon der Original-Film bietet, genau wie die TV-Serie, einen Zusammenschnitt älterer Abenteuer und die fix und fertigen Trennersequenzen mit dem lesenden Tom – eine Spar- und Recycling-Idee des Studios MGM. Dieses Konzept sollte in der Folge noch häufiger umgesetzt werden.
Zur Feier des Tages wollen uns noch einmal ansehen, welches in „Jerry’s Diary“, dem 45. Auftritt der beiden Helden, die Wiederholungen sind, die Tom so zur Weißglut treiben. Gleich als erstes wird „Tee For Two“ (1945) zitiert, einer ihrer witzigsten Cartoons und sicherlich der brutalste von allen: Tom und Jerry verwüsten einen Golfplatz und Toms Gebiß. In „Mouse Trouble“ (1944), der Tom an Ort und Stelle der Rahmenhandlung wieder mit einem Buch in der Hand zeigt, sehen wir das Duo noch im Design der ersten Stunde. Es folgt ein Clip aus „Solid Serenade“ (1946), in dem eine Reihe von Haushaltsgegenständen zweckentfremdet wird, ehe der niedergehende Fensterrahmen schließlich als eine Art Guillotine fungiert. Zuletzt feiert sich das Team selbst mit „Yankee Doodle Mouse“ (1943), einem Oscar-Gewinner mit Dynamitkerzen und Feuerwerksraketen.

In der deutschen TV-Version dichtete Redakteur Siegfried Rabe die Texte dazu und war übrigens auch Mitautor des unverwüstlichen Titelliedes.

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