Die wiedergefundene Textstelle: „Das Drei-Monde-Irrenhaus“ (3)

betr.:  39. Jahrestag der Erstausstrahlung von „The Strange Possession of Mrs. Oliver“, TV-Film nach Richard Matheson / Fortsetzung vom 23.2.2016

Das Drei-Monde-Irrenhaus
Eine Kurzgeschichte von Richard Matheson
Übersetzt von Monty Arnold

VI.

Das war wirklich nett von dir, dachte er zu ihr, aber von nun an bitte keine Blumen mehr.
Ihr Blick zeugte vom üblichen Unverständnis.
„Capito?“ fragte er.
Eine Woge der Zuneigung lief wie Sirup an seinem Gehirn herunter. Er rührte nervös in seinem Kaffee, und das Sirupgefühl ebbte ab – wie ein taktischer Zug der Gegenseite. In der Küche herrschte Stille bis auf das Klirren des Bestecks auf den Tellern und das Rascheln ihres Morgenrocks.
Er kippte seinen Kaffee hinunter und blies zum Aufbruch. Mein Mittagessen werde ich unten allein einnehmen …
Ich weiß
. Ihr Gedanke war lauter als der seine. Auf dem Weg durch die Diele mußte er grinsen. Er kam sich wieder vor wie ein Dreikäsehoch unter mütterlicher Fuchtel.
Während er über die Wiese ging, fiel ihm die letzte Nacht wieder ein, und das Grinsen verging ihm.

Den ganzen Vormittag über ärgerte ihn die entsetzliche Tumbheit der Gnee-Männer. Bereits ein heruntergefallenes Bündel stellte sie vor gewaltige Aufgaben. Er mußte an Rindviecher denken, als er sie durch das offene Fenster beobachtete, wie sie stumpfen Blicks, den gedrungenen Rumpf leicht vornübergebeugt, ihre Bahnen zogen.

Auf gar keinen Fall waren diese Kretins telepathisch. Auf keinen seiner Gedankenbefehle hatten sie reagiert. Sie begriffen nur deutlich artikulierte Befehle von idealerweise höchstens zwei Silben und befolgten sie mit gelassener Stumpfheit.

Der Vormittag nahm seinen Lauf, und er blickte von den Corrigans Aufzeichnungen hoch, als ihm aufging, dass ihn Liebling sogar über diese Entfernung im Griff hatte.
Was sie nun herüberschickte, ließ sich nicht in Worte übersetzen – was nicht bedeutete, das es weniger intensiv gewesen wäre. Es kam ihm vor, als ob sie die Empfangsqualität austestete.
Er lachte leise vor sich hin, um die Sache leichter als einen Witz abtun zu können, und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Doch die Gleichmäßigkeit ihrer Heimsuchungen quälte ihn zunehmend, und er rutschte nervös auf seinem Sessel hin und her. Schließlich erwartete er jede von ihnen starr aufrecht sitzend.

Am späten Vormittag versuchte er es mit bewußter Zurückweisung, warf seinen Füllhalter auf den Schreibtisch und befahl ihr ärgerlich, ihn bei der Arbeit zufriedenzulassen. Ihre Attacken brachen sogleich ab, um bald darauf von neuem zu beginnen.
Allmählich wurde er mürbe. Er verließ das Büro, lief ziellos im Lagerhaus herum, riß einzelne Bündel auf und stocherte im Inhalt. Ihre Eingebungen nahmen unverändert ihren Lauf. „Alles gut?“ sagte der Vorarbeiter jedesmal, wenn Lindell an ihm vorbeikam, und trug damit nicht zu einer Verbesserung seiner Laune bei.
Einmal versteckte Lindell sich hinter einem Bündel und erschreckte ihn mit einer plötzlichen, lauten, sinnlosen Anweisung.
Der Arbeiter sprang vor Schreck einen halben Meter hoch, ließ sein Klemmbrett fallen und machte ein Gesicht, das man für furchtsam halten konnte. Nun konnte Lindell einmal den Verständnislosen spielen.

Später saß er wieder nachdenklich im Büro, das offene Stationsbuch vor sich.
Die Gnee-Männer wußten schon, warum sie sich nicht mit Telepathie abgaben.
Er blickte durch das Fenster auf ihre dahintrottende Linie.
Er erinnerte sich, was Martin über ihre Frauen gesagt hatte. Das hier war ein Matriarchat! Die Verwirrung seiner Vorgänger mochte daher gerührt haben, dass die Gnee-Frauen keinen Unterschied zwischen ihren Männchen und ihnen, den Männern von der Erde, machten. Auch ihn erfreute der Gedanke nicht, mit den Trotteln da draußen auf eine Stufe gestellt zu werden.

Unvermittelt stand er auf. Er hatte keinen Appetit, doch er beschloss, jetzt zum Haus zurückzugehen, sein Mittagessen einzufordern und ihr gleichzeitig klarzumachen, dass keine Lust darauf hatte. Sie soll sich daran gewöhnen, von mir beherrscht zu werden, dachte er. Diese glotzäugige Gnee-Kuh sollte sich bloß keine Schwachheiten einbilden.
Er wandte den Blick, weil er erkannte, dass er wieder auf die wilden Kratzer an der Wand gestarrt hatte. Und auf den schnallenlosen Gürtel, der immer noch unter dem Feldbett lag.

Fortsetzung folgt

Dieser Beitrag wurde unter Literatur, Manuskript, Science Fiction, Übersetzung abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert