Veräppeln für den Frieden

betr.: 212. Geburtstag von Houdin

Es kommt zuweilen vor, dass große Vorbilder von ihren Epigonen überflügelt werden. Der Name Houdin strahlt in Magierkreisen vermutlich hell wie eh und je, dem Normalverbraucher erklärt man ihn am schnellsten damit, dass er der Namensgeber des insgesamt weitaus populäreren Entfesslungskünstlers Harry Houdini gewesen ist, des „kleinen Houdin“.

houdinBehauptete Enthauptung: Houdin auf einem seiner Plakate

1856 fand in Algerien ein Zauberer-Duell statt. Kaum hatte einer der Magier ein etwas räudiges Huhn aus dem Ärmel seines weiten Umhangs hervorgezaubert, war er spurlos verschwunden. Sein Gegner hatte den Konkurrenten – so schien es – mit einem Pistolenschuss in Luft aufgelöst.
Der Mann, dem dieser Trick gelungen war, hieß Robert Houdin – und der wollte sich nicht nur als der Bessere beweisen, er zauberte sogar im auftrag der französischen Regierung. Die traute ihm zu, den Krieg zwischen algerischen Aufständischen und der Kolonialmacht zu verhindern.

Jener Houdin, den die Politik den eigenen Diplomaten vorzog, war der Techniker unter den Zauberern des 19. Jahrhunderts. Als angehender Rechtsanwalt in der Kanzlei eines Verwandten gelangweilt, hatte er sich zunächst der Feinmechanik, dann der Uhrmacherei zugewandt. Bald war davon besessen, magische Apparate zu bauen, Mit 40 hatte er genug davon gebastelt und mietete sich ein kleines Theater in Paris.
Von Anfang an war das Publikum begeistert. Houdin verzichtete auf die märchenmittelalterliche Kostümierung mit dem Kegelhut und trat im Anzug auf. Mittels raffiniert ausgerichteter Spiegel erweckte er den Eindruck, Freiwillige aus dem Publikum enthaupten zu können. Seinen Sohn Eugen (der ein unsichtbares Spezial-Korsett trug) ließ er schweben – nur mit dem Ellenbogen auf eine Stange gestützt.

Gut zehn Jahre nach seiner Theatereröffnung war Houdins große Stunde gekommen: die Marabuts – islamische Geistliche, die ihre Anhänger mit vergleichsweise billigen Tricks beeindruckten – mussten ausgestochen werden. Houdin sollte den Einheimischen beweisen, dass die Franzosen die besseren Zauberer sind und ein Aufstand gegen sie nicht ratsam. Houdin enttäuschte seine Auftraggeber nicht. Wie er in seinen Memoiren berichtet, ließ er sich von einem Marabut mit einem Vorderlader beschießen. (Die Nachwelt vermutet, die Kugel habe aus einem Wachs- Quecksilber-Gemisch bestanden und sich bei Abschuss in Staub aufgelöst – was überzeugender geklungen haben muss als jene Platzpatronen, die im „Tatort“ zum Einsatz kommen.  Eine offenbar sehr leichte Kiste, die er mühelos in die Luft geworfen hatte, vermochten seine algerischen Mitbewerber auch mit vereinten Kräften nicht zu heben. (Vermutlich war hier einmal mehr ein Elektromagnet im Einsatz.)

Der verschwundene Magier im eingangs geschilderten Wettstreit soll ein Komplize gewesen sein, der darauf verzichtete nach dem Schuss in verräterischen Lärm auszubrechen.
Zu diesem unkollegialen Betragen kann man stehen, wie man will – der Krieg fiel jedenfalls aus.

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