Die schönsten Filme, die ich kenne (28): „Flucht nach Miami“

Die Ermittlertruppe um den kürzlich verstorbenen Martin Lüttge hatte es nicht leicht, folgte sie doch beim WDR-Tatort auf den bahn-, achsen- und herzensbrechenden „Schimanski“. Der war gerade auf der Höhe seiner Popularität mit einem selbstironischen Knalleffekt abgetreten. Doch Lüttge hatte mit der taffen Prinzipienreiterin Roswitha Schreiner und dem amüsanten Loser Klaus J. Behrendt zwei gut konzipierte Mitstreiter. Die acht Folgen, ehe Behrend ausstieg, um später (höheren Ranges aber mit deutlich schlechterer Laune) zurückzukehren, gehören zu den Highlights der TV-Krimikost der 90er.
Aus diesem Repertoire ragt „Flucht nach Miami“ wiederum heraus.

Das Mordopfer Nora Frey hat einen horrenden Kreditvertrag abgeschlossen, von dem ihr Ehemann keine Ahnung hat. Ausgefertigt hat ihn der Kredithai Kampen, Eigentümer der SOS-Kreditvermittlung. Wie Hauptkommissar Flemming und seine Assistenten herausfinden, ist das noch der harmlosere Teil seines Berufsbildes, doch der Mörder ist er nicht …

Der arg unterschätzte Hamburger Charakterdarsteller, Komödiant und Sprecher Manfred Steffen liefert das berührende Portrait eines unglücklichen Rentners, der seine letzten Reste von Charme und Herzensgüte benutzt, um seine kleinbürgerlichen Artgenossen ins Elend zu stürzen. Sein Arbeitgeber – Heiner Lauterbach als der eigentliche schlimme Finger der Geschichte – nötigt die zahlungsunfähigen Schuldnerinnen zur Prostitution. Die titelgebende Flucht gilt nicht den Nachstellungen der Polizei, sondern den beklemmenden Lebensumständen des Rentners („Du brauchst keinen Schlüssel! Mutter und ich sind immer da!“ erklärt man ihm daheim). Es gibt ein paar vermeidbare Schnitzer (der Logikfehler am Ende, um eine dramatische Fahrt zum Flughafen zu ermöglichen oder der seit der Schimi-Ära übliche bohlenhafte Kraut-Soul statt eines richtigen Soundtracks), aber Kleinkram beiseite. Ohne dass hier gleich in so talkshowtaugliche Abgründe wie Kindesmisshandlung oder Lebensmittelskandale geblickt wird, ist „Flucht nach Miami“ ein bundesrepublikanischer Gruselfilm feinster Sorte. Und die Lüttge-Mannschaft sorgt für den Humor, der so wichtig ist in Gruselfilmen.

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