Fortsetzung vom 21. April 2018
Warum die Kürze so würzig ist*
Die Sitcom ist schon aufgrund ihrer Übersichtlichkeit – klassischerweise 22 Minuten – unverdächtig, uns humoristisch überanstrengen zu können. Dass ihr die kurze Form so gut steht, könnte aber auch historische Ursachen haben.
Der direkteste Vorläufer einer Sitcom-Episode ist die ein- oder zweiaktige („Akt“ steht hier für Filmspule) Slapstick-Comedy, die ihre Blütezeit im amerikanischen Stumm- und sehr frühen Tonfilm hatte. Bei diesem Format konnten es sich die Filmemacher sogar leisten, mit der Kamera loszuziehen und zu improvisieren. (Ohne Sound-Equipment war man sehr beweglich, und das Fehlen von Versicherungs-Vorschriften beförderte eine wahrlich halsbrecherische Spielfreude.) Das wurde im abendfüllenden Film seither nur sehr vereinzelt unternommen und ist noch seltener geglückt.
Stan Laurel hat sich mit seinem Produzenten Hal Roach häufig in die Haare bekommen. Ein Streit der beiden entzündete sich Anfang der 30er Jahre an der grundsätzlichen Frage, ob und wie sich der Humor eines Slapstick-Kurzfilms auf einen Langfilm ausdehnen ließe. Anlass der Auseinandersetzung war der Musikfilm „Fra Diavolo“, der ausnahmsweise von Roach inszeniert wurde. Roach vertrat die Auffassung, man könne nicht 90 Minuten lang ununterbrochen komisch sein; Laurel hätte gerne (noch) mehr Gags eingebaut. Roach empfand in diesem Zusammenhang die Gesangseinlagen als wohltuende Pausen, und obwohl manche der Fans von Laurel und Hardy deren „Operetten“ weniger schätzen, zählen wir „Fra Diavolo“ allgemein zu den Erfolgen. In gewisser Weise hat Roach recht behalten. Von einigen Ausnahmen abgesehen funktionieren die Kurzfilme von Laurel und Hardy (wie sie ab 1935 nicht mehr produziert wurden) besser als ihre Feature Films.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der dynamischen Zweiakter-Comedy und dem Langfilm besteht darin, dass erstere nicht unbedingt eine Handlung braucht – ein Thema genügt. Am Ende einer abendfüllenden Komödie muss außerdem eine Pointe sitzen, nicht nur ein Schluss-Gag nach dem Motto: ein Gag muss ja als letzter kommen.
Da die moderne Sitcom – als kleine Schwester der Situationskomödie – nicht mit physischem Slapstick, sondern mit redenden sitzenden Menschen aufwartet, braucht auch sie eine Geschichte mit Schlusspointe – idealerweise.
* Auszug aus dem Essay „Humor Omnia Vincit“