1.1 Mitunter witzig, selten komisch – Die Sitcom (3)

Fortsetzung vom 24. April 2018

Gut (abgehangen)e Sitcoms

Im deutschen Sprachgebrauch gibt es den Ausdruck Sitcom seit den 80er Jahren, als ein immer größer werdendes Serien-Angebot Raum für Rubrizierungen schuf.
Die Serien „Golden Girls“ (deutsch ab 1990) und „Eine schrecklich nette Familie“ (ab 1992) haben mich seinerzeit prächtig unterhalten. Auch hier hätte ich gerne auf die neuerdings obligatorischen Konservenlacher verzichtet, aber die betont theaterhafte Atmosphäre und die Qualität der Dialoge ließen sie halbwegs realistisch erscheinen, zumal sich beide Serien auf der Höhe der Zeit befanden.
Was aber taugten die Geschichten? Unterschiedlich viel.
Im Rückblick schneiden Al Bundy und sein gruseliger Anhang besser ab als die goldigen goldenen Mädchen aus Miami. Die „Golden Girls“ (deren Aufmüpfigkeit heute Allgemeingut sind und deren treuherziger Witz naturgemäß nicht sehr gut gealtert ist) hatten eine klare Struktur: in den ersten Minuten jeder Folge wurden zwei Themen ausgegeben (Rose will sich einen Rock kaufen, Dorothy bekommt Besuch aus Oklahoma), dann liefen die beiden Geschichten schrammenfrei nebeneinander her, zuletzt löste sich alles wieder auf (Rose gibt den Rock zurück und kauft sich eine Hose, der Besuch verabschiedet sich). Als ich dieses Prinzip erst einmal begriffen hatte, amüsierte ich mich nur noch halb so gut. Die ganz frühen Al-Bundy-Folgen hingegen waren komplexe kleine Theaterstücke mit einem Konflikt, einer Krise, einer Auflösung. Man lachte also nicht nur über die Witze – und es gab ein paar heute noch brillante – sondern tatsächlich über die Situation, über Verwicklungen und ihre (oftmals gründlich nach hinten losgehende) Entwirrung. So etwas ist viel schwerer zu schreiben als eine Abfolge von Punchlines mit Lach-Jingles.
Deshalb gelingt dies auch vor allem in den ersten Staffeln einer Serie, wenn die Batterien aufgeladen sind und die kreativen Prozesse noch mit weniger Einmischung durch Störenfriede von außen erfolgen.
Das war schon immer so.

Mein Wiedersehen mit der „Familie Feuerstein“ (USA 1960-66) war diesbezüglich eine Offenbarung. Seit vielen Jahren kann man die ersten 5 der 6 Staffeln für sehr kleines Geld auf DVD kaufen. (Ich lief lange daran vorbei, weil sie nicht im Serien-Regal, sondern in der Kinderabteilung liegen, obwohl sie eigentlich für ein erwachsenes Publikum produziert worden sind.) Die erste Staffel dieser ersten gezeichneten Sitcom der TV-Geschichte ist ein echtes Kleinod. Die meisten Folgen sind das, was man auf dem Theater als Well-made play bezeichnet. (In Staffel drei und vier kommen süße Kinder dazu, was im Leben eine Mordsgaudi ist, aber jeder Satire mit Rührseligkeit die Luft abdreht. Al Bundys pubertierende Gören bestätigen diese Regel.)
Auch die frühen Abenteuer der Serie „Männerwirtschaft“, die noch wie ein Film produziert wurden und nicht vor Publikum in einer Theaterdeko, hatten diesen Vorzug – womit wir wieder bei Neil Simon wären.
Noch etwas war bei dieser Wiederbegegnung unsagbar heiterkeitsförderlich: in der deutschen Fassung sowohl der „Feuersteins“ als auch der „Männerwirtschaft“ wurden die Lacher aus der Originalversion weggelassen.

* Auszug aus dem Essay „Humor Omnia Vincit“

Dieser Beitrag wurde unter Buchauszug, Fernsehen, Gesellschaft, Kabarett und Comedy, Medienkunde, Medienphilosophie, Theater abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert