Wo nie ein Taktstock zuvor gewesen ist – Der Komponist Bernard Herrmann (6)

Fortsetzung vom 18.7.2018 

Es ist naheliegend und nicht unzutreffend, von Herrmanns Musik auf seine Persönlichkeit zu schließen. Er war ein typischer Krebs: seine Empfindlichkeit beförderte seine Kreativität ebenso wie seine Launen.
David Raksin erzählte dem Dokumentarfilmer Joshuah Waletzky: „Bennie liebte seinen Hund Twi und konnte überhaupt sehr warmherzig und gefühlvoll sein, aber es gab Dinge, die ließen ihn ausflippen. Ich nannte ihn einen ‚Virtuosen der ziellosen Rage‘. Er geizte nicht damit, und es konnte jederzeit auch Freunde treffen. Arthur Knight, der damals ein angesehener Filmkritiker war, rief mich einmal an und fragte: ‚Halten Sie Bennie Herrmann für Ihren Freund?‘. Und ich sagte: ‚Natürlich tu ich das.‘ – ‚Dann hätten Sie gestern auf der Party dabeisein sollen.‘ – Es war eine große Party mit Regisseuren, Produzenten und solchen Leuten. Und Bennie sagte laut und deutlich zu Arthur: ‚Dein Freund Raksin, lehrt der noch an der Universität von Südkalifornien?‘ Arthur bejahte das, er war dort auch Professor. Bennie fragt weiter: ‚Filmmusik?‘ – ‚Ja.‘ – ‚Versteht der denn was von Filmmusik?‘ Das war also der Mann, der mich John Houseman für ‚Stadt der Illusionen‘ empfohlen hat. Und der fragt nun, ob ich was von Filmmusik verstehe. So war Bennie, wenn er auf alles draufhaute, was ihn nicht als Krone der Schöpfung anerkannte. Er tat das besonders gern, wenn er mal wieder an seiner eigenen Arbeit zweifelte, die offensichtlich nicht das war, was er eigentlich wollte. Er wurde damit nicht fertig und verletzte andere. – Als ihm klarwurde, dass ich davon gehört hatte, fiel es ihm schwer, mir in die Augen zu sehen. Ich hab ihm das nicht übel genommen, so war er halt. Aber es gab andere, die das nicht ertragen konnten und sich von ihm zurückgezogen haben.“
Elmer Bernstein ergänzt: „Diese Geschichten über Herrmann kennt man ja. Ich glaube, er war einer, der sich sagte: Mach jetzt einen Witz, sonst fängst du noch an zu heulen oder – schlimmer noch – sagst am Ende etwas Freundliches!“

Seine erste Ehefrau Lucille Fletcher widerspricht dieser Darstellung nicht, aber sie differenziert es ein wenig: „Natürlich hat er sich auch mit Frauen gern mal angelegt, sie zu Duellen provoziert, damit sie Fehler machten. Aber im Grunde liebte er Frauen und war immer nett zu ihnen. Unsere Beziehung beruhte auf gegenseitigem Respekt. Er verschonte mich mit seinen Ausfällen – auch, als wir uns scheiden ließen. Er war durcheinander, fühlte sich ausgelaugt, aber er liebte meine Cousine. Er wollte eine andere Frau.“
Lucille Fletcher und Bernard Herrmann unterhielten nach der Trennung einen regen Briefwechsel. Er schrieb: „Ich habe immer versucht, euch das Leben so angenehm wie möglich zu machen – Hausangestellte, Geld, ein guter Vater zu sein. Also habe ich Jobs angenommen, die mir zutiefst zuwider waren, Filme und kommerzielles Radio. Mir blieb keine Zeit zum Nachdenken oder für meine eigenen Projekte. Hinterher ging ich immer alleine raus, denn alle anderen waren verabredet. Nur das Klavier wartete. Und allmählich sah ich ein, wie wenig ich erreicht hatte, wie schnell die Zeit vergeht, wie groß die Leere hinter allem ist.“
Und selbstverständlich war auch er Angriffen ausgesetzt.

Forts. folgt

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