Die schönsten Hörspiele, die ich kenne (2): „Dem Reißer entsprungen“

„Dem Reißer entsprungen“ von Michael Brett, übersetzt aus dem Englischen von Hilde Maria Kross – mit Werner Hinz (David West), Ruth Kappelsberger (Miss Baxter), Charles Regnier (Dr. Julius Mander), Hans Stein (Simpson); Musik: Leroy Anderson, Irving Berlin u.a., Regie: Fritz Benscher – BR 1954 (31 min.)

„‘n Kollege! Entsetzlich!“

Als Daniel West, der blasierte Autor der überaus erfolgreichen Schundkrimi-Reihe um den Ermittler Foster Reynolds, seinen 18. Roman diktiert, bekommt er Besuch von einem seltsamen Herrn. Dieser behauptet, der große Bösewicht aus den Krimis von Mr. West zu sein: der Superverbrecher Julius Mander. Aus verständlichen Gründen bezweifelt West die Identität des Mannes, zumal der dem Gangster nicht einmal ähnlich sieht, doch dieser Mann hat ein Messer. Er verlangt, unverzüglich zu seinem Erzfeind Foster Reynolds gebracht zu werden, um diesen auf der Stelle ermorden zu können. Ansonsten würde er das Messer gleich an Ort und Stelle gebrauchen.
West ist verzweifelt. Da erscheint ein Mr. Simpson. Der erzählt, der Irrenarzt des angeblichen Julius Mander zu sein und seinen Patienten wieder mitnehmen zu wollen. Das klingt nach einer glücklichen Lösung – doch der Schein trügt …

Die Hörspiele der sich noch völlig unhinterfragt gefallenden Wirtschaftswunder-BRD haben ihre Vor- und Nachteile. Besonders die Krimis der 50er und 60er Jahre sind ein zweischneidiges Vergnügen. Viel von dem, was daran heute gern als nostalgischer Vorzug verkauft wird, ist objektiv betrachtet eher (unschuldige) Nachlässigkeit, und die Versuche in Selbstironie – heute wurde man von „Schmunzelkrimis“ sprechen – geraten gern fürchterlich albern.
„Dem Reißer entsprungen“ ist eine verblüffende Ausnahme von dieser Regel. Die lächerliche Selbstüberschätzung und gespreizte Würde des beschriebenen Erfolgsautors weist über dessen Profession weit hinaus. Was wiederum Charles Regnier als derangierter Heftchen-Gangster abliefert, ist eine einsame Spitzenleistung, und sogar die Hörspiel-Absage mit der Besetzung gerät zu einem Kabinettstückchen.

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