betr.: 37. Todestag von Ayn Rand
Die Arbeiten der russisch-amerikanischen Bestseller-Autorin Ayn Rand (außerdem jüdischer Herkunft, wenn auch Atheistin) sind mir zu spät untergekommen, als dass sie mich hätten prägen oder mir auf meinem Wege helfen können, doch später fand ich in ihnen mustergültige Formulierungen für vieles, was mir heute wahr und gut und hilfreich erscheint. Dass ich in der Schule niemals etwas über eine Autorin und Philosophin gehört habe, die in den USA zu den meistdiskutierten Intellektuellen und einflussreichsten politischen Autoren des 20. Jahrhunderts gehörte, ist bei der Qualität meiner Penne quasi Ehrensache – und es betrübt mich doch.*
Noch immer werden jährlich weltweit mehr als 100 000 Exemplare verkauft, doch hierzulande ist dieser Roman nahezu unbekannt. Das kann an seinen 1.400 Seiten Umfang liegen, an fehlender Relevanz sicher nicht.
Als Hauptwerk der Ayn Rand gilt ihr letzter, 1957 erschienener Roman „Atlas Shrugged“. Das gewaltige dreiteilige Werk trug bei uns zunächst den leicht variierten Titel „Atlas wirft die Welt ab“, dann hieß es „Wer ist John Galt?“ (dem mysteriösen Slogan entsprechend, der die Handlung antreibt), heute ist es als „Der Streik“ zu haben.
Dieses Buch wäre eine famose Vorlage für eine Netflix-Serie, doch seine bisherige Adaptionsgeschichte spricht dagegen. Eine Verfilmung des Stoffes scheiterte jahrzehntelang –auch an der Skepsis der Autorin, die mit einer früheren Filmadaption ihrer Arbeit (deren Erfolg zum Trotz) unzufrieden gewesen war. 2011 wurde es schließlich doch unternommen und einer aktuellen Mode entsprechend auch gleich als Beginn einer Film-Trilogie angelegt: „Die Atlas Trilogie – Wer ist John Galt?“
Mit lockendem Geflüster überredet ein geheimnisvolles Individuum reihum wichtige Unternehmer und industrielle Vordenker der USA, spurlos zu verschwinden und quasi in einen Streik zu treten. Das macht zunächst der Protagonistin Dagny Taggart zu schaffen, der Erbin einer Eisenbahnlinie, und stürzt bald das ganze Land in eine entsetzliche Krise.
Parallel zu diesem Thriller geht es um die Geschichte einer bemerkenswerten Heldin, um die Probleme der (Deutschen) Bahn, um Energieversorgung, staatliche Regulierung, unheilige Allianzen zwischen Wirtschaft und Politik, um Opel und Hartz IV … Naheliegenderweise verlegten die Filmemacher die Handlung ins Jahr 2016 (also fünf Jahre in die damalige Zukunft) und sagten für diesen Zeitpunkt eine große Öl- und eine Wirtschaftskrise voraus.
Bereits der erste Teil des Films verschluckt sich rettungslos an dieser Fülle, an der des Ensembles und an dessen Verstrickungen. Weiterhin ist er so lieblos gecastet, dass einem die Tränen kommen. Sein Misserfolg war so gründlich, dass „Wer ist John Galt?“ bei uns nur auf DVD erschien und die Fortsetzung gar nicht erst synchronisiert wurde. Je nach Quelle wurde der dritten Teil gar nicht erst realisiert bzw. verliert sich seine Spur „nach einer begrenzten US-Kinoauswertung“.
Vielleicht sollten unsere Serienmacher bei einem Beispiel Mut fassen, dass noch gar nicht lange zurückliegt. Das letzte ähnlich erfolgreiche und diskutierte, ähnlich umfangreiche und ambitionierte Romanwerk war Stieg Larssons „Millennium“-Trilogie, und davon gab es eine filmische Umsetzung, die gar nicht übel war. Die drei dänisch-deutsch-schwedischen Filme hatten in der TV-Version je zweieinhalb Stunden Laufzeit und liefen gekürzt auch im Kino. Der erste (in sich abgeschlossene) Teil erlebte ein internationales Remake. „Milliennium“ trat einen Siegeszug durch diverse Medien an – nur ein Musical steht noch aus.
Der wesentliche Unterschied zwischen „Millennium“ und „Atlas“ besteht darin, dass man Larssons Haltung zum Thema „Männer, die Frauen hassen“ nicht widersprechen kann. Was hingegen Ayn Rand uns philosophisch zumutet, hat allergrößten Zündstoff. Ihr Lobgesang auf den tatkräftigen Individualismus wird oft als Empfehlung eines rücksichtslosen Egoismus missinterpretiert.
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* Siehe dazu auch https://blog.montyarnold.com/2018/07/15/zurueck-zu-sali-und-vrenchen-stoehnlaut/