Die wiedergefundene Textstelle: „Der Teil einer Apparatur“ aus „Atlas wirft die Welt ab“

betr.: Energiewende / Niedergang einstiger Boomtowns in den USA

Das Hamburger Thalia Theater scheiterte unlängst bei dem ehrenhaften Versuch, „The Fountainhead“ (1943) für die Bühne zu adaptieren, den ersten Roman der 1982 verstorbenen  Philosophin Ayn Rand.  Ihr folgendes Werk, das mit 1250 Seiten noch umfangreichere „Atlas wirft die Welt ab“ (auch: „Der Streik“, 1957), gehört in den USA zu den meistdiskutierten und noch immer vielgelesenen Büchern, ist hierzulande aber praktisch unbekannt.

Im IX. Kapitel des ersten Teils von „Atlas wirft die Welt ab“ erkunden die Helden Dagny Taggart und Hank Rearden ein Wüstenstädtchen in Illinois namens Starnsville, dessen Zufahrts- und Fluchtwege so versandet sind, dass es sich beinahe um eine Geisterstadt handelt. Doch eine kleine Zahl von Familien haust noch in den Ruinen der Ansiedlung, die sich einst um eine Fabrik gebildet hatte und die nach deren Schließung aufgegeben wurde.
„Es sind so viele Leute weggegangen, dass nur noch die Taugenichtse übrig sind“, erklärt uns im nächsten Kapitel Bürgermeister Bascom aus Rome, Wisconsin.
Diese Übriggebliebenen leben im und vom Müll. Es gibt keine Zahlungsmittel mehr, nur noch Tauschhandel.

Eine zerlumpte Kinderschar hatte sich in der Tür hinter der Frau versammelt, eines nach dem anderen. Sie starrten auf den Wagen, doch nicht in strahlender, kindlicher Neugierde, sondern mit der Anspannung von Wilden, die bereit waren, beim ersten Anzeichen von Gefahr zu flüchten.

Hier erweist sich die Autorin als Träumerin von einem Ende der fossilen Energie und des Dieselmotors träumt und beschwört nebenbei das Bild einer ehemaligen Industriehochburg herauf, die zum Slum verkommen ist, nachdem ihr der wichtigste Arbeitgeber abhandenkam.
Dagny und Hank fahnden in der Fabrikruine nach Überresten des alten Betriebs, zwei archäologische Industriespione zwischen Glasscherben, Mörtelresten, Papierfetzen und den Abfällen, die die zahllosen Plünderer im Laufe der Jahre hinterlassen haben. In einem Raum, den sie für ein ehemaliges Versuchslabor hält, findet Dagny ein zusammengetackertes Bündel Papier, die unvollständigen Konstruktionspläne für ein mysteriöses Gerät. Sie sieht eine eigenartige Spule aus einem Schutthaufen ragen, der zu dieser Maschine gehören könnte. Die Verwüstung ihrer Kleidung und die Verletzung ihrer Hände in Kauf nehmend beginnt sie, nach dem zu graben, was am Ende der Spule hängt.

Hank! Komm her, und sieh dir das an!
Nun komm doch schon.
Nein, du sollst nicht mich anschauen! Ich weiß dass ich schlimm aussehe, ich bin vollkommen in Ordnung! Schau, was ich hier gefunden habe!
Hank! Wonach sieht dieses seltsame Stück Schrott für dich aus?
Wie sieht es aus?
Es war die Spule, die ich zuerst gesehen habe, weil ich Zeichnungen wie diese – nicht genau so, aber so ähnlich – schon einmal gesehen habe. Es war in der Schule! Es stand in einem alten Buch und wurde vor langer, langer Zeit als unmöglich abgestempelt: ein Motor. Ich las damals alles, was ich über Eisenbahnmotoren finden konnte. In diesem Buch stand, dass es eine Zeit gab, in der Leute darüber nachgedacht haben, zu … sie haben jahrelang Versuche gemacht, aber sie konnten das Problem nicht lösen. Und schließlich gaben sie es auf.  Und dann ist es für Generationen in Vergessenheit geraten. Ich hätte nicht gedacht, dass noch jemand an der Sache drangeblieben ist, aber einer hat es offensichtlich getan!
Diese Leute haben damals versucht, einen Motor zu erfinden, der statische Elektrizität aus der Atmosphäre zieht, sie umwandelt und Strom erzeugt. Und weißt du was? Hier steht er!
Verstehst du, was das bedeutet? Das ist die größte Revolution der Motorenherstellung seit dem Verbrennungsmotor! Er ist mehr als das! Dieses Ding löscht alles aus – und macht alles möglich!
Zum Teufel mit Dwight Sanders und all den anderen! Wer würde noch Interesse an einer Diesellok haben, wenn er diese Alternative hat? Wer würde noch Öl, Kohle oder Tankstellen haben wollen?
Ich sehe es direkt vor mir: eine Lokomotive, halb so groß wie eine Dieseleinheit und zehnmal so stark. Ein autarker Generator, der aus wenigen Tropfen Treibstoff eine unbegrenzte Leistung herausholt. Man bräuchte nur ein paar Cent, um den Umwandler in Gang zu halten. Das wäre die sauberste, schnellste und billigste Form der Bewegung, die sich jemals jemand ausgedacht hat!
Ist dir klar, wie das unsere Art der Fortbewegung, unsere Logistik, unser ganzes Land verändern würde? Innerhalb eines Jahres!

Wir müssen herausfinden, wer dieses Ding entwickelt und warum er es hier zurückgelassen hat! Wir sollten ihn unbedingt finden, denn ich glaube nicht, dass ich in der Lage wäre, den Apparat aus den paar Papierfetzen und diesen Überresten hier zu rekonstruieren.
Ich glaube, das hier ist das Großartigste, das ich je gesehen habe!
Und es hat funktioniert!
Aber um es wieder zum Laufen zu bringen, brauchen wir einen Verstand, so brillant wie seinen.
Niemand sonst kann diesen Motor wieder flottmachen. Es ist nicht genug davon übrig. Es ist ein Anhaltspunkt, mehr nicht!

Ich werde ihn finden, und wenn ich dafür alles andere stehen und liegenlassen muss.
Und wenn er noch lebt.
Aber wie könnte das sein? Wenn er noch lebt, warum hat er dann eine Leistung dieser Größenordnung in einem Schrotthaufen vergammeln lassen? Wir dürften gar nicht nach ihm suchen müssen, weil längst die ganze Welt seinen Namen kennt!
Wir brauchen ihn. Oder kannst du dir vorstellen, dass unsere Motorenbauer dazu in der Lage wären?
Nie im Leben! Es hat jahrelang keine neue Idee für Motoren mehr gegeben! Wir haben keine erstklassigen Ingenieure mehr. Es ist ein Beruf, der langsam ausstirbt. Wenn er nicht schon tot ist.
Wir müssen diesen Konstrukteur finden! Das hier ist wichtiger als alles, was ein Mensch heute besitzt oder herstellt!
Hank, weißt du, was dieser Motor bedeutet hätte, wenn er gebaut worden wäre? Ich würde sagen: etwa zehn zusätzliche Lebensjahre für jeden Menschen in diesem Land – wenn man bedenkt, wie sehr er uns alles erleichtert hätte, wie viele Arbeitsstunden er eingespart und für andere Dinge freigegeben hätte!
Dieser Motor könnte eine Glühbirne in jedes finstere Loch auf Erden bringen. Sogar in die Häuser der Leute, die wir unten im Tal gesehen haben.

Aber eins verstehe ich einfach nicht! Warum hat dieses Ding niemand für wert befunden, es mitzunehmen? Was ist hier passiert? Das ist eine Sache, die mir Angst macht!

(Bearbeitung: Monty Arnold)

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