Richard Kummerfeldt – An den Rändern der Traumfabrik (1)

Fortsetzung vom 26.6.2019

Diesen Bericht seiner späten Aktivitäten als freier Filmmusikproduzent verfasste Richard Kummerfeldt im Exil in Südamerika für ein (deutsches?) Fachmagazin. Es gewährt Einblicke in die letzten Jahre der Tonträgerindustrie vor deren Verschlafen der digitalen Revolution, in die Welt der käuflichen Filmmusik, die Seele des Sammlers (heute „Nerd“), die Finessen des sich wandelnden Urheberrechts und berichtet von der Arbeit mit schwierigen Bürohengsten und Künstlerpersönlichkeiten. Die Erzählung beginnt Ende der 80er / Anfang der 90er Jahre nach Richards Zeit als Filmmusikhändler, -Antiquar und -Produzent in Saarbrücken.* 

Post aus Ecuador

Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss. – Ist es das?

Hallo John,

nun ist es schon wieder einige Monate her, da Du mich fragtest, wie es mir denn so ginge, was ich gerade so tue, ob mir die Filmmusik fehle, ob es denn hier auch Soundtrack-CDs gäbe und noch so einiges mehr. Auch die Leser Deines Filmmusikmagazins könnte das interessieren.

Fange ich also vorne an. Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Wenn ich meine Rente schon bekäme, ginge es mir glatt noch besser, aber da  muss ich noch bis 2013 warten. Wie Du ja weisst, bin ich eigentlich Agraringenieur, aber mein Schicksal hat mir die Aufgabe eines Schallplattenproduzenten zugewiesen. Nun, da die Ecuadorianer (und ich vermute auch 99,9% der restlichen Latinos) mit Filmmusik nichts anfangen können, wird doch hin und wieder der Agraringenieur gefordert. Aber da ich keine Ahnung vom Anbau von Reis, Bananen, Kakao und Mangos habe, hält sich der Erfolg in Grenzen.  Auch das letzte Spanferkel-Projekt wurde in endlosen Diskussionen zerredet. Vielleicht befindet sich ja unter den Lesern des Magazins ein generöser Mäzen, der – weil er zufällig 100 Titel von mir in seiner Sammlung hat – einen hungerleidenden Ex-Produzenten ein wenig unterstützt.

Ob mir die Filmmusik fehlt?

Ja und nein.

Ich habe hier so ein paar CDs mit Musiken, die niemals veröffentlicht wurden, die ich mir so hin und wieder mal anhöre. Aber häufiger bin ich mit der Musica Latina (die ja weit mehr ist als Shakira und die Musik der „Langnese Eis-Dynastie“, sprich Julio Iglesias plus Abkömmlinge) gut bedient. Soundtrack-CDs kann man hier nicht kaufen. Vielleicht einmal für 70 US-Cent einen schwarz gebrannten Sampler mit dem Song aus „Titanic“ und Artverwandtem. Andererseits kann man sich hier (neben den aktuellen Titeln natürlich) mit schwarz gebrannten alten Hollywood-Streifen eindecken. Kosten einen Dollar, oder man kann sie im Fernsehen mitschneiden. Ein Sammler käme in kurzer Zeit auf 300 bis 500 Titel. Und wenn er sucht, auch auf noch mehr.

Generell  möchte ich sagen, so friedfertig und nach endlosen Diskussionen auch kompromissfreudig das Völkchen der Ecuadorianer, so schön und abwechslungsreich dieser Teil der Erde auch ist (Palmenstrände, ewiges Eis, aktive Vulkane, Tropenurwald und nicht zu vergessen: Galapagos), so widersprüchlich sind dieses Land und seine Bewohner. Einiges muss man einfach verstehen, wenn man hier leben möchte, anderes kann man verstehen, wenn man sich die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse anschaut, und anderes wiederum ist reine Glaubenssache. Das Ganze könnte man mit der Erklärung abtun, dass die Ecuadorianer gerne mal einen (oder zwei … oder drei) „Dragos“ (wörtlich: „Tropfen“, im Volksmund ist ein Schnaps –  meist Caña, also Zuckerrohr – gemeint) zu sich nehmen. Sie schwören Stein und Bein, dass es hoch oben in den Anden in der Nähe von Loja (bitte mal im Atlas nachschauen) einen Platz gibt, an dem sich in unregelmäßigen Abständen Außerirdische einfinden, um an einem kristallklaren Bergsee frisches Wasser zu bunkern. Entsprechende Spuren könne man mit Leichtigkeit auf dem Steinboden finden. Also geht es hier um eine „Begegnung der Ersten Art“ („Close encounters of the first kind“). Aber bisher habe ich noch niemanden getroffen, der von einer Begegnung der dritten Art zu berichten weiss. Womit ich bei dem Thema wäre, das Dich und die Leser wohl am meisten interessieren dürfte. War das nicht ein genialer Übergang zu der Beantwortung der Frage: wie kam ein saarländisches Landei an die Rechte, diesen Soundtrack auf CD (wieder) zu veröffentlichen?
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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2019/06/26/der-geheimnisvolle-herr-kummerfeldt/

Forts. folgt

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