Das Cover der zweiten Ausgabe von „Das sagte Nuff“ ist ein von Gerhard Schlegel neucolorierter historischer Moment in der Geschichte der „Fantastic Four“: ihre erste Begegnung mit Galactus, dem Planetenverschlinger, und seinem Herold, dem „Silver Surfer“. Jack Kirby ist auf dem Zenit seiner Schaffenskraft angekommen.*
Mit ihnen fing alles an: das Superhelden-Quartett „Fantastic Four“ eröffnete im November 1961 das Silver Age der Comics und machte es zum „Marvel Age Of Comics“.
Stan Lee hatte vom ersten modernen Superhelden „Doc Savage“** gelernt – oder besser: von Lester Dent, der unter dem Verlagspseudonym Kenneth Robeson ab 1933 die ersten sowie auch die meisten der übrigen Abenteuer verfasste. Mit großer Kraft kommt bekanntlich nicht nur große Verantwortung, sondern auch viel Pathos. Dent brach dieses, indem er seinem unfehlbaren Bronzemann ein fünfköpfiges Expertenteam zur Seite stellte, das mit einer Vielzahl sorgfältig gepflegter Schrulligkeiten für Auflockerung sorgte. Lee verfeinerte diese Konzeption, indem er die Superkräfte des einen großen Anführers auf ein Heldenteam verteilte. Nach mehr als zwanzig Jahren der tadel- und humorlosen Spießigkeit eines „Superman“ war die Comic-Leserschaft reif für diesen parodistischen Ansatz und für Kämpfer, die auch mal eine Niederlage einstecken mussten.
Fast noch verwegener wirkte eine weitere Neuerung: die Abenteuer konnten sich nicht nur über mehrere Ausgaben erstrecken, sie bauten auch aufeinander auf, was die Helden (und ihre Feinde) eine im Comic nie dagewesene Komplexität entwickeln ließ.
Wolfgang J. Fuchs spricht in seinem Comic-Standardwerk von einer Zeit, in der „Stan Lee und Jack Kirby praktisch allein das Beste produzierten, was damals auf den Markt kam“.
Die Entstehungsgeschichte des „eindrucksvollsten Superhelden-Teams der Welt“ (und hier sind wiederum die Geschöpfe gemeint) ist von Marvel wieder und wieder erzählt worden, in regelmäßigen Rückblenden, die der nachwachsenden Leserschaft in immer brillanteren Zeichnungen das Grundwissen vermittelten:
Der Wissenschaftler Reed Richards überredet seinen Freund Ben Grimm, seine Verlobte Susan Storm und deren kleinen Bruder Johnny, ihn auf einer Forschungsreise ins All zu begleiten. Der Flug durch ein kosmisches Strahlenfeld, lässt sie nach ihrer Heimkehr bemerkenswerte Veränderungen an sich feststellen: Richards ist in der Lage, sich gummiartig zu dehnen, Sue kann sich unsichtbar machen, Johnny ist in der Lage, seinen Körper in Brand zu setzen und zu fliegen. Ben hat Pech gehabt: seine Verwandlung in ein überaus kräftiges Gesteinswesen (das wie jede vernünftige Cartoonfigur an jeder Hand nur vier Finger hat) ist nicht durch eigene Willenskraft umkehrbar wie bei den anderen. Er bleibt ein Monster – und revanchiert sich dafür mit einer besonders großen, frechen Klappe.
Der tragische Maulwurf steht am Anfang einer langen Reihe von Superschurken, die der Mannschaft nun in die Quere kommen und die ihre Namen und Identitäten häufig aus dem Tierreich beziehen werden. Bereits in der Ausgabe # 5 wird den FV ein Busenfeind zugeteilt, an dem sich bis heute jeder Comic-Bösewicht messen lassen muss: Doctor Doom, ehemaliger Kommilitone von Reed Richards, ebenso brillant, aber bei einem Labor-Experiment entstellt und seither hinter einer eisernen Maske verborgen. Er ist das dunkle Gegenstück von Richards alias Mr. Fantastic und herrscht über einen rückständigen Balkan-Staat. John Romita Sr. brachte es in der Dokumentation „Von Superman zu Spiderman“ auf den Punkt: es sei„unmöglich, eine solche Figur nicht zu mögen!“
Das Gruppenmitglied Johnny Storm schlägt die Brücke aus dem Golden Age in die Gegenwart. Bereits in „Marvel Comics Nr. 1“ aus dem Jahre 1939 – damals hieß der Verlag noch Timely – hatte es eine „menschliche Fackel“ gegeben. Die war ein Androide gewesen. Johnny Storm ist ein Teenager (wie der größte Teil der ursprünglichen Leserschaft), aber im Gegensatz zu Charakteren wie Robin oder Bucky ist er mehr als nur ein Sidekick.
Bald darauf sollte ein weiterer Youngster mit besonderen Fähigkeiten Marvel die zweite große Erfolgsserie bescheren: der Solist „Spider-Man“.
Der Weg der „Fantatischen Vier“ auf die Leinwand war verschlungen und führte 1967, 1978 und 1994 zu einer Reihe minimalanimierter Zeichentrickserien für das Fernsehen. In der zweiten Variante wurde Johnny durch den Roboter H.E.R.B.I.E. ersetzt, weil die Rechte an der „menschlichen Fackel“ für einen geplanten TV-Film an die Universal verkauft worden waren.
Bald darauf sicherte sich „für einen Spottpreis“ der Münchner Produzent Bernd Eichinger den Stoff. Um die Option nicht wieder zu verlieren, musste er diesen auch innerhalb einer gesetzten Frist verfilmen. Im Internet kursiert die räudige VHS-Abtastung eines 90minüters namens „The Fantastic Four“, die der legendäre B-Filmer Roger Corman produziert und gemeinsam mit Oley Sassone inszeniert hat. (Der Film hat 2 Millionen Dollar gekostet, die man ihm wirklich nicht ansieht!) Angeblich hatte Corman keine Ahnung, dass sein Einsatz nur dazu diente, Eichingers Rechte am Auslaufen zu hindern. Der Film wurde nie herausgebracht und das Originalnegativ angeblich vernichtet.
Jedenfalls konnte Eichinger auf diese Weise im Jahre 2005 als Produzent in Erscheinung treten, als die Entwicklung der Tricktechnik die „Fantastic Four“ endlich auf die Leinwand gelangen ließ.
Damals hatte ich das Gefühl, mit meiner Ablehnung dieser Umsetzung (Regie: Jim Story) allein zu sein – besonders wegen der Schande, die man Dr. Doom angetan hatte. Heute, da sich Marvel bekanntlich selbst um die Kino-Ausbeutung seiner Charaktere kümmert, finden sich im Netz allerlei gallige Kommentare über dieses vermeintliche Filmdebüt der Fantastischen Vier.
Auch die deutsche Comic-Veröffentlichung dieser Serie verlief chaotisch, wenn auch weniger geheimnisvoll und intrigant. Daniel Wamsler widmet sich diesem Aspekt in den nächsten Kapiteln.
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* Die ganze Wahrheit zu diesen Ereignissen unter https://blog.montyarnold.com/2017/02/28/die-schoensten-comics-die-ich-kenne-12-the-fantastic-four-41-51-ii/
** Näheres dazu unter https://blog.montyarnold.com/2018/09/14/fast-ein-retortenmensch/ und https://blog.montyarnold.com/2018/10/12/doc-savage-der-bronzemann-die-deutschen-taschenbuecher/
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