Richard Kummerfeldt – An den Rändern der Traumfabrik (5)

Fortsetzung vom 16.8.2019

Diesen Bericht seiner späten Aktivitäten als freier Filmmusikproduzent verfasste Richard Kummerfeldt im Exil in Südamerika für ein (deutsches?) Fachmagazin. Es gewährt Einblicke in die letzten Jahre der Tonträgerindustrie vor deren Verschlafen der digitalen Revolution, in die Welt der käuflichen Filmmusik, die Seele des Sammlers (heute „Nerd“), die Finessen des sich wandelnden Urheberrechts und erzählt von der Arbeit mit schwierigen Bürohengsten und Künstlerpersönlichkeiten in den 90er Jahren.

Dschungelgrüße von Chuck Norris

Wieder einmal hatte ich Glück. General Music hatte seinen deutschen Verlagspartner gewechselt. Und Ralph Siegel war nicht nur bekannt für seine Eurovisionsschlager, sondern auch für seine Geschäftstüchtigkeit. Also machte ich einen Termin mit seiner Tochter aus und mich auf den Weg nach München.
Bein Anblick dieser Schönheit fühlte mich um Jahre zurückversetzt, als ich Bruno Nicolai in Rom traf. Er war ein kleines, rundes Männchen, lustig und freundlich. Aber seine Tochter: ein wohlgeschnittenes Gesicht, endlos lange Beine, kurzum: eine Schönheit, die mir einige sehr unruhige Nächte bescherte.
Die Verhandlungen verliefen wunschgemäß. Der Siegel-Verlag wollte, dass mit dem neu erworbenen Repertoire etwas geschah, und ich wollte CDs. Das Ergebnis steht heute in vielen Sammlerregalen.

Dass ich diesen Katalog  nicht weiter ausschlachtete, lag z.B. am Soundtrack zu dem Film „The Wanderers“ – eigentlich kein Soundtrack, sondern ein Pop-Sampler. Der Vorschlag kam von einem Außendienstler der Firma Proton.
Das war kein Herzensprojekt, aber eine Herausforderung. Alles was ich wusste, war, dass der Importdienst der Firma Telefunken (TIS) die gleichnamige LP über Jahre hinweg aus Australien importiert hatte. Was lag also näher, als einmal bei der WEA (Warner Bros. Records, die hatten inzwischen Telefunken geschluckt) nachzufragen. Das übliche Ergebnis: Kennen wir nicht, haben wir nicht, kommt auch nicht mehr rein. Meine Anfragen in Australien blieben lange Zeit unbeantwortet. Meine Anfrage bei der P. Kaufmann Produktionsfirma ergaben, dass die von der Existenz der Platte gar keine Ahnung hatten. Was war da los?
Die Erklärung sollte mir etwa ein Jahr später Joachim Haensch geben (als Sohn deutscher Auswanderer in Australien geboren, Head of Music Department von MGM-Pathé). Namen und Telefonnummer hatte ich von einem Frankfurter Musikverlag erhalten. Bei einem netten Telefonat erfuhr ich, dass er geschäftlich eng mit Edel Records, also dem „Cinema Soundtrack Club“, liiert war.

Jetzt wurde es langsam Zeit, meinen Kontakt zu Thomas Karban-Schürmann* wieder aufzufrischen. Wir kannten uns noch aus den Saarbrücker Zeiten. Ich schämte mich ob meiner grandiosen Pleite und wollte mich nicht ständig erklären müssen. Also gingen wir uns dann in Hamburg geflissentlich aus dem Weg. Aber nun gab es was Neues, und wir telefonierten uns zusammen.
Es stellte sich heraus, dass er über alle meine Aktivitäten bestens informiert war. Die Buschtrommeln in der Platten-Szene funktionierten hervorragend. Und er nahm kein Blatt vor den Mund, wenn es um seine Arbeit bei Edel ging. Michael Haentjes, oberster Chef bei Edel, war gerade im Zenit seines Erfolges angekommen, und die Filmmusik, mit der alles angefangen hatte, spielte nur noch eine sentimentale Nebenrolle. Thomas rechnete sich aus, dass seine Tage bei Edel gezählt seien. Hier irrte er sich. Michael Haentjes hat Thomas bis zu dessen frühzeitigem Tod unterstützt und beschäftigt. Michael, dafür danke ich dir an dieser Stelle aufrichtig!
Das saßen nun also die beiden Fachidioten zusammen und fachsimpelten. Wir träumten den gleichen Traum: einmal einen Soundtrack zu veröffentlichen, der sich nicht nur eintausend Mal verkaufen ließ, sondern millionenfach. Aber es blieb leider ein Traum. Was konnten wir gemeinsam unternehmen? Er arbeitete bei Edel und ich bei der Videorent. Unsere gemeinsame Zeit sollte noch kommen. Aber das wussten wir zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht. Zu „The Wanderers“ fiel ihm auch nichts Besseres ein, als zur Not die Pop-/Rockstücke einzeln zu lizensieren. Aber würde das funktionieren? Lieber wollte ich es noch einmal in den Staaten versuchen.

Ich war gerade als Urlaubsvertretung nach Pirmasens gefahren und führte Filme vor, als mich ein Anruf aus den Staaten erreichte. Joe Haensch war am anderen Ende und bot mir für 10.000 $ die Weltrechte an „Delta Force 2“ an. Ich bat mir einen Tag Bedenkzeit aus, schließlich musste ich erst mit VRC sprechen, ob überhaupt so viel Geld verfügbar ist. Eile war angesagt, da der Film in vier Wochen Bundesstart hatte.

Delta Force 2_US-BRDZwei Covers für zwei Tracks auf der CD – aber die haben es in sich!

Wo und wie VRC das Geld aufgetrieben hat, weiss ich nicht mehr, aber ich konnte Joe anrufen und ihm mitteilen, dass wir den Deal annehmen würden. Zwei Tage später kam ein mürrischer Heinz L´Hoste aus seinem abgebrochenen Urlaub nach Pirmasens zurück, und ich trollte mich zurück nach Hamburg.
Auf dem Schreibtisch lagen schon das mit Fed-Ex angelieferte Päckchen mit der fix und fertigen Master CDR, ein paar Dias und ein handlicher Vertrag mit weit unter 28 Seiten.
Leider waren die Filmplakate auch schon fix und fertig. Kein Hinweis auf die kommende CD. Und: ein ganz anderes Motiv, als es mir Joe aus den Staaten geschickt hatte. Ein Anruf klärte, dass das US-Motiv von allen anderen Vertriebspartnern übernommen würde, nur die Deutschen wollten mal wieder ihr eigenes Süppchen kochen. So kam es also, dass das Booklet beide Motive enthielt. Für den Export wurde es einfach umgedreht, was wunderbar funktionierte. Ennio Morricone sei Dank, hatten wir nun auch einen Vertrieb in Österreich, Frankreich, England und Dänemark dazubekommen. Tarantula exportierte fleißig in den Rest der Welt.
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* Thomas Karban-Schürmann war ein markanter Typ mit Hornbrille und Baßstimme, der ursprünglich als Kunde zu Richard in den Laden kam. Er liebte Zigarillos und starken Kaffee. Richard nannte ihn TKS, zuletzt TK (seinen Abkürzungsfimmel teilte er mit Winifred Wagner …).

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