Meine Nächte mit Betty

Betr.: 98. Geburtstag von Betty White

Betty White wird 98 Jahre alt – das ist auch in Zeiten, in denen es immer mehr Hundertjährige gibt, eine bewegende Nachricht. Zumal sie diese Jahre genutzt hat, um als US-Entertainerin mit der längsten Karriere im Guinness-Buch der Rekorde zu landen.
Betty White war also längst eine verdienstvolle Langstreckenläuferin, als sie vor knapp 35 Jahren erstmals die Rose in der Serie „Golden Girls“ spielte. Wie dusselig diese Figur wirklich war, konnten selbst die deutschen Bearbeiter zunächst nicht fassen. Ihre Synchronstimme Verena Wiet klang in den ersten Folgen noch recht vernünftig, bis sie sich zu der Piepsstimme hinaufgearbeitet hatte, mit der der regelmäßige Satzanfang „Bei uns in St. Olaf …“ ganz und gar natürlich klang.

Meiner Generation bleibt Betty White vor allem wegen dieser Performance in Erinnerung. Die Sitcom „Golden Girls“ lief am Freitagabend nach dem „Bericht aus Bonn“, also genau zu der Zeit, da sich die Nachtschwärmer fürs Wochenende aufbrezelten, um anschließend in der Gay Community gemeinsam über die soeben gesehene Episode – ein zweites Mal – zu lachen. Das war ebenso identitätsstiftend wie das oft erinnerte „Lagerfeuer“ am Samstagabend, nur nicht gleich für die „ganze Familie“.
Wie man hörte waren die „Golden Girls“ in ihrem Ursprungsland USA sogar  etwas Unerhörtes. Dass vier ältere Ladies in einer Wohngemeinschaft in Miami zusammenlebten – also ohne Mann bzw. Männer – und sich immer wieder über Themen wie Sex, Sex im Alter, Tod u.ä. unterhielten, ging dort noch als Aufreger durch. (Nicht auszudenken, was da heute los wäre!!!) Ein klein wenig frech fand ich die Serie damals auch. Bald darauf kam „Eine schrecklich nette Familie“ heraus – tief in der Nacht und im Privatfernsehen. Nichts für ungut: die Bücher waren hier einfach besser, die Gags frecher, die Konstruktion der Geschichten raffinierter – zumindest in den ersten Staffeln. Und so rutschten die Goldmädchen für mich nachträglich etwas ins Betuliche ab. Zumal ich nicht alle vier gleich gern mochte: Sophias Kodderschnauze und Blanches männermordendes Getue waren mir immer etwas zu bemüht. Umso lieber mochte ich Dorothy, deren Darstellerin Beatrice Arthur ich schon immer sehr verehre, und eben Rose, die heute die einzige Überlebende der Bande ist. Für mich hatten diese beiden auch die besten Dialoge: die vernünftige Lehrerin und das bauernschlaue Mädchen aus Minnesota.

Rückblickend waren die „Golden Girls“ eines meiner schönsten TV-Rituale.
Alles Gute, Betty!

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