Verströmungswille

Manchmal sieht man einem Künstler zu, den man eigentlich schätzt und den man länger nicht beobachtet hat, und stellt einen Verlust seiner Wirkung fest. Man spürt instinktiv, dass es sich hier nicht um ein Formtief handelt, sondern um eine Tendenz.
Wenn man diesen Künstler wirklich gernhat, wird man sogleich die möglichen Ursachen durchgehen und vielleicht auf den Lauf der Zeit stoßen. Es könnte ja immerhin sein, dass der oder die Betreffende sich allmählich ausgegeben und langsam und unbewusst den Weg zum Ausgang eingeschlagen hat.
Der Motor dieser Entwicklung ist seltener die physische Abnutzung. Meistens hat etwas eingesetzt, das auch Betätigung, Erfolg und Reichtum nicht zu bremsen vermögen: das Nachlassen des Verströmungswillens. Einer Mitwelt, die man aufgegeben hat, hat man nichts mehr zu erzählen.

Die Bereitschaft, Kompromisse zu schließen, die Geduld mit sich selbst und anderen (also auch dem Publikum) neigt dazu, sich Laufe eines Lebens abzunutzen. Was für das Individuum ganz natürlich ist (was dort als Kauzigkeit oder „Verschratung“ durchgeht), ist für den Künstler verheerend. 

Die gute Nachricht: so wie es jedem Menschen möglich ist, mit 50 fitter und gesünder zu sein, als er selbst es mit 30 war, kann jeder von uns die Initiative ergreifen und an diesem Aspekt arbeiten. Sogar Fortschritte sind möglich. Schließlich sind manche Künstler am Ende ihres Weges am besten.

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