Der Komiker als Filmheld (8): „Der Strohmann“

In dieser Reihe werden Filme vorgestellt, deren Helden Komiker sind. Nach einer kurzen Inhaltsangabe werden die Filme hauptsächlich danach beurteilt, wie kundig und glaubhaft sie diesen Beruf abbilden. (Meistens entspricht dieser Aspekt aber auch der Gesamtnote.) Biopics werden an anderer Stelle behandelt.

„Der Strohmann“ („The Front“), USA 1975*

Als Senator Joseph McCarthys Schwarze Liste eine Vielzahl amerikanischer Künstlerkarrieren vernichtet, findet der unpolitische Coffeeshop-Kassierer und Amateur-Buchmacher Howard Prince zu einer neuen Aufgabe: er stellt sich als Strohmann für einige gesperrte Comedy-Autoren zur Verfügung. Der Plan geht auf: die Autoren können weiterarbeiten, und Howard freut sich über den Wirbel um seine Person und den plötzlichen Reichtum. Doch dann erlebt er den Untergang des Komikers Hecky Brown, der als Darsteller nicht die Möglichkeit hat, zu tricksen. Howard durchläuft eine Katharsis …

„Der Strohmann“ spielt zwar nach dem Zweiten Weltkrieg, unternimmt aber nichts, um die Zeit der McCarthy-Ära optisch abzubilden. Dekos und Kostüme zeigen die Gegenwart, und der Hauptdarsteller Woody Allen unterstreicht noch das Gefühl, dass wir uns in den 70er Jahren befinden.
Umso präziser verhandelt der Film sein Thema: die Fernseh-Unterhaltung, die Comedy und die verheerende Wirkung staatlicher Zensur.
Die Gastspiel-Szenen in den Catskills* sind von geradezu dokumentarischem Wert – obwohl man keine Dokumentation finden wird, in der die Demütigung eines in Ungnade gefallenen Komikers im Büro des Veranstalters festgehalten wurde. Wie Hecky Brown, der soeben noch ein TV-Star gewesen ist, zum Teufel gejagt wird, als er gegen den Betrug aufbegehrt, ist eine Szene, die man nicht wieder vergisst. 

Doch besonders eindrucksvoll ist die Arbeit des Komikers: wir erleben den unbeschreiblichen Zero Mostel (früher selbst ein Opfer der Schwarzen Liste), in den letzten Augenblicken seiner Vorstellung. Der Saal tobt. Es ist ein kurzer, atemberaubender Einblick in die Realität eines wirklichen Entertainers. Leider ist Mostel vollkommen trocken, als er sich hinter der Bühne den Schweiß abwischt, sonst wäre die Illusion perfekt. Es ist der einzige Fehler in diesem sonst makellosen Film. Auch die völlig unsentimentalen Szenen, die uns den privaten Komiker in den Phasen seiner allmählichen Vernichtung zeigen, sind die reine Wahrheit.
__________________
* Siehe dazu auch https://blog.montyarnold.de/2017/04/23/die-schoensten-filme-die-ich-kenne-22-der-strohmann/
** Näheres dazu unter https://blog.montyarnold.com/2020/05/24/15998/ und
https://blog.montyarnold.com/2020/05/30/humor-omnia-vincit-22/

Dieser Beitrag wurde unter Fernsehen, Film, Kabarett und Comedy abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert