Das Capote-Vidal-Zerwürfnis

betr.: 96. Geburtstag von Truman Capote (gestern)

Die beiden erst befreundeten, dann lange übel zerstrittenen Schriftsteller Gore Vidal und Truman Capote* miteinander zu vergleichen, ist so naheliegend wie aussichtslos. Es ist vergleichbar mit der unsterblichen Beatles-Stones-Assoziation. Capote ist die Beatles, Vidal ist die Stones.
Capote war ein verschrobenes Wunderkind aus bescheidenen und wunderlichen, ländlichen Verhältnissen, das – einmal in New York angekommen – zum Darling der kulturellen High Snobsiety wurde, wozu sein schriftstellerisches Genie ebenso beitrug wie seine skurrile Erscheinung (ein zunächst elfenhaftes, zierliches Wesen mit Fistelstimme, das zuletzt zu einem verquollenen, drogensüchtigen Wrack heruntersank, welches seine verbalen Spitzen gegen die eigenen Freunde und Bewunderer richtete und sich damit weitgehend isolierte). Vidal (ebenfalls schwul), lebenslanger Dandy, wurde in die höchsten Kreise hineingeboren (Großvater Senator, Vater Luftwaffenpilot und Fluglehrer in West Point, verschwägert mit den Kennedys …) kokettierte mit künstlerischen und politischen Ambitionen und war zeitlebens ein Lästermaul – was ihm aber niemals verübelt, sondern stets als Esprit angerechnet wurde.

Die Polarität der beiden bringt Vidal trefflich-selbstentlarvend mit der Äußerung auf den Punkt, sein verhasster Kollege möge zwar die avancierteren Bücher schreiben, dafür kriege er aber sein Leben nicht auf die Reihe und vor allem die Männer nichts in Bett, die er haben wolle. Selbstentlarvend deshalb, weil er (wofür beide nichts konnten) schlichtweg der attraktivere Mann war und weil er das Wort „avancierteren“ wählt, wo „besseren“ die Sache akkurater beschrieben hätte.
Vidals Arbeiten waren stets nur Zeitvertreib. Sie strotzen vor der Eitelkeit ihres Verfassers und seiner Weigerung, irgendjemanden oder irgendetwas neben sich (oder überhaupt) gelten zu lassen. Sie sind mit seinem Ableben (also ohne ihren aktuellen Boulevard-Bezugspunkt) allenfalls als Zeitdokumente interessant, während Capotes Erzählungen nicht aufhören, poetisch, packend und relevant zu sein.
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* Siehe auch https://blog.montyarnold.com/2016/07/31/die-goetter-neben-ihm/

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