Geschichte des Komiker-Handwerks (50)

Fortsetzung vom 29.10.2020

Wie im Fernsehen so auf Erden

Wie schon erwähnt, hatte sich das noch junge Privatfernsehen in besonderer Weise der Comedy angenommen. Dafür gab es mehrere Gründe: Comedy war günstig zu produzieren (umso mehr, weil sie mit „neuen Gesichtern“ arbeitete), sie war „jung“ (auch hinsichtlich ihrer Sprachregelung) und bedeutete dadurch beim Kampf um die Gunst der Fernsehzuschauer ein Unterscheidungs-, wenn nicht gar ein Alleinstellungsmerkmal im Programmangebot.
Die Öffentlich-Rechtlichen brauchten ein paar Jahre, ehe sie sich die Dauerhaftigkeit dieses Phänomens eingestanden und erste eigene Versuche auf diesem Gebiet unternahmen. Die Ergebnisse ihrer Mühen waren so zaghaft, linkisch und dröge, dass sie heute praktisch vergessen sind. (Man findet kurze Passagen daraus noch in der DVD-Gesamtausgabe von Oliver „Kalkofes Mattscheibe“ und Augenzeugenberichte im „Fernsehlexikon“ von Stefan Niggemeier und Michael Reufsteck, Goldmann Verlag 2005).
Fairerweise muss man daran erinnern, dass sich eine verunglückte Unterhaltungssendung der Privaten leicht darauf zurückziehen konnte, es ja genau so gewollt und absichtlich Trash produziert zu haben – nach dem Motto: „Das ist doch der Witz!“. Diese Chuzpe musste sich an anderer Stelle erst noch entwickeln.
Es dauerte ein paar weitere Jahre, bis man sich am Lerchenberg und im weiten Land der Landesfunkhäuser auf das Kabarett zurückbesann. In den Kulturprogrammen der ARD hatte es zwar durchgehend stattgefunden – und das nicht nur in Mix-Shows sondern sogar in Form mitgeschnittener Solo-Programme – aber eben nur im Radio. Inzwischen läuft im Fernsehen soviel Kabarett wie noch nie.

Parallel dazu verwischten sich die Übergänge.
Der Künstler Dieter Nuhr brachte als erster das Kunststück fertig, von beiden Zielgruppen zugleich akzeptiert zu werden, als Kabarettist und als Comedian zu gelten. Nachdem er einige Jahre lang auf seinen Tourneen beide Lager bespielt hatte, machte ihn die ARD zum gefühlt allabendlich sendenden Gastgeber einer nach ihm benannten Kabarett-Reihe am späteren Abend. Die meisten der KünstlerInnen, die er dort begrüßt, sind uns auch als Gäste der privaten Lach-Formate vertraut und umgekehrt. Wer derart präsent ist, dem kann herzlich egal sein, wo man ihn einsortiert.

Auszug aus dem Essay „Humor Omnia Vincit“

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