Das Goldene Zeitalter des losen Mundwerks

betr.: 70. Todestag von George Bernard Shaw

Wenn in längst vergangenen Zeiten Englischlehrer das Präfix „Once George Bernard Shaw said“ im Munde führten, dann wussten die Schüler, dass es gleich etwas zu lachen geben würde. Alle hofften, ihre Sprachkenntnisse mögen ausreichen, um die Pointe zu verstehen. Eine solche Geschichte war z.B. diese (sie hat die rare Besonderheit, dass jemand Shaw Contra gibt):
Einst schrieb George Bernard Shaw einen Brief an Winston Churchill: „Sehr geehrter Herr Premierminister! Am nächsten Samstag wird mein neues Stück uraufgeführt. Dazu möchte ich Sie herzlich einladen. Beiliegend zwei Eintrittskarten, die eine für Sie, die andere für einen Freund – falls Sie einen haben.“ Churchill antwortete: „Sehr geehrter Mr. Shaw! Haben Sie Dank für Ihre Einladung. Leider bin ich am Samstag verhindert und würde daher lieber zur Zweitaufführung kommen – falls Sie eine erleben.“

Die besagte Generation konnte sich nach dem Ende der Schulzeit in der taschenbuchformatigen Zeitschrift „Das Beste aus Reader’s Digest“ unter Rubriken wie „Silhouetten und Profile“ weiterhin mit Shaw-Anekdoten und unter oder „Es sagten Frechheiten …“  mit Zitaten wie diesen versorgen: „Ich bin bekannt für meine Ironie, aber auf den Gedanken, im Hafen von New York eine Freiheitsstatue zu errichten, wäre selbst ich nicht gekommen.“
Über so etwas lachten die Schüler, weil es jemand gewagt hatte, Amerika ans Bein zu pinkeln – obwohl die meisten den Sinn solcher Äußerungen erst später vollumfänglich begreifen sollten. Shaw erschien als einer, der gegen Amerika und damit gegen die Elterngeneration rebellierte.
Wer der Faszination dieses Mannes auf den Grund gehen wollte, konnte das im Theater tun, wo dessen Stücke auf den Spielplänen sehr präsent waren.

Ein intellektueller Londoner Popstar, der dem Premierminister freche Nachrichten schreibt, wäre auch heute eine schöne Sache.

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