In der vielfältigen und auf diverse deutsche Metropolen verteilten Synchronbranche der Bonner Republik gab es eine Unzahl kauziger, unverwechselbarer Organe beiderlei Geschlechts und aller Spiel-Altersklassen, die man heute gar nicht erst aufs Gelände lassen würde. Schräge Typen wie Horst Gentzen oder Kurt Zips waren das Salz in der Suppe unseres Bundes-Ensembles, Hans Hessling (1903-95) und Walter Bluhm (1907-76) sprachen für Weltstars wie Charlie Chaplin und Stan Laurel. „Bluhms Stimme lässt in Nebenrollen sofort aufhorchen“, so das „Lexikon der Synchronsprecher“, „weil sich die Figur automatisch von anderen abhebt“ – was sich in dieser Vielfalt allerdings relativierte. Solche Sprecher wurden in Filmen aller Genres und im Hörspiel eingesetzt, mussten sich aber nicht verstellen, wenn Muppets, Monster oder Cartoonfiguren zu besetzen waren (was immer mal vorkommt). Wurde doch einmal eine Verfremdung von ihnen gewünscht, geschah sie mit Bravour und ging nicht auf Kosten der Überzeugungskraft. Umgekehrt tummelten sich auch namhafte Schauspielgrößen in der Leichten Muse und im Märchen. Jeglicher Dünkel gegenüber „Unterhaltungsware“ oder „Kinderkram“ schien diesen Leuten vollkommen fremd zu sein.
Diese Zeiten sind lange vorbei. Heute ist das stimmliche Personal grob in jene unterteilt, die für Kobolde oder kecke Prinzessinnen zuständig sind, und jene, die in Dramen eingesetzt werden. Muss sich im seriösen Fach einmal jemand die Stimme verstellen – etwa, wenn die Figur in der Handlung altert oder wenn der amerikanische Stamm-Schauspieler bei Disney gastiert – dann sind dem Ergebnis die fehlende Routine sowie die Furcht anzumerken, mit der Trickstimme die eigene Würde zu beschädigen.
Das ist nicht allein die Schuld der SprecherInnen, es hat mit der Art zu tun, wie heute gearbeitet wird. Hinzu kommt die Unsitte, dass ausgerechnet im Trickfilm, der eine spezielle Herausforderung darstellt, bei Kinofilmen gerne mit Laien gearbeitet wird: mit Prominenten, die einen anderen als den Sprecherberuf ausüben. Die verantwortlichen Produzenten begreifen einfach nicht, dass auch der glühendste Fan eines YouTube-Stars oder Fußballers nicht in einen Animationsfilm geht, nur weil sein Idol darin ein Alien oder eine Eistüte spricht.
Gewiss gibt es unter den zeitgenössischen Trick- und Humor-Produktionen glückliche Ausnahmen wie z.B. die kürzlich gestartete TV-Serie „Moka und Cherry – Immer unterwegs“ (2020). Aber es sind eben nur Ausnahmen.
Wer lernen möchte, wie man gleichzeitig chargiert und schauspielert, braucht Vorbilder und tut gut daran, sich im Archiv nach ihnen umzuhören. Am fündigsten wird man in den Arbeiten des Bearbeiters, Regisseurs und Sprechers Eberhard Storeck* (1933-2015).
In dieser Serie werden solche Vorbilder vorgestellt. Es geht nicht pauschal um Hörspiel- oder Synchronlieblinge – darum kümmern sich Fans und Liebhaber in unzähligen Foren. Hier soll ein Künstlervölkchen näher betrachtet werden, das spätestens seit dem Tod des lebenslang unterschätzten Eberhard Prüter (1945-2014) im Aussterben begriffen ist. (Veteranen wie Jürgen Kluckert und Santiago Ziesmer habe ich zuletzt leider selten gehört.)
Schon aus Platzgründen sollen die Portraitierten nur unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt werden. (Alles weitere ist ja nur einen Mausklick entfernt und lässt sich auf den einschlägigen Seiten mühelos ergänzen.) Ich will keinem von ihnen die Qualifikation für andere („höhere“) Arbeiten absprechen (Synchron ist eine Tätigkeit, der sich viele der Besten geniert haben) oder ihnen eine ungewollte Priorität aufstülpen. Manche waren geschätzte Bühnenschauspieler, aber dazu kann ich schon aus Altersgründen wenig sagen.
Einige verdienstvolle Beispiele – z.B. Gottfried Kramer (der „Oscar“ in der „Sesamstraße“) oder Wolfgang Hess (heißgeliebt als „Bonzo“ in „Popeye“) – fehlen hier, weil sie so märchenhaft klangen, dass sie mich aus dem Munde realer Schauspieler immer irritiert haben.
1. Folge morgen an dieser Stelle
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* Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2017/03/13/ich-war-das-funkemariechen-des-medienbetriebs/
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