Die schönsten Hörspiele, die ich kenne (17): „Das Glasauge“

17. „Das Glasauge“ von Michael Krüger nach dessen gleichnamiger Erzählung aus dem Erzählungsband „Der Gott hinter dem Fenster“ – mit Rainer Bock, Günter Lamprecht, Barbara Nüsse, Justus Hebestreit, Christian Klischat, Mara Zoe Heim; Regie: Ulrich Lampen – HR 2018 (49 min.)

„Es war totenstill. Meine Kindheit war zu Ende.

In großer Armut lebt ein Veteran des Russlandfeldzuges mit Frau und Enkel in einer ärmlichen Dachstube seines ehemaligen Hofes, der nun vom Verwalter der sowjetischen Besatzungsbehörden heruntergewirtschaftet wird. Die Familie des Kindes, des Helden der Geschichte, ist in Berlin unter Umständen ums Leben gekommen, deren Details wir nicht erfahren. Der Junge erinnert sich nicht mehr daran und kann nur ahnen, was seine Großeltern so bedrückt. Er erlebt ihren Alltag als Normalität. Dann beendet ein unerwartetes Ereignis diesen Lebensabschnitt.

Obwohl der Erzähler uns als reifer Mensch begegnet, gelingt es dem Text –der abschließenden Erzählung aus einem Geschichtenband -, uns die Entbehrungen der ersten Friedensjahre im ländlichen Osten durch die Augen eines kleinen Jungen sehen zu lassen. Diese unschuldige Perspektive zeugt von etwas, das wir seit einigen Jahren als „Resilienz“ bezeichnen und in einer Weise bei Kindern feststellen, zu der wir Erwachsenen nicht mehr in der Lage sind. Die Unverdrossenheit des Jungen richtet auch die Großeltern notdürftig wieder auf, sogar den besonders tief verbitterten Opa, den Träger der titelgebenden Prothese (Nur zu Beginn wird dieses Glasauge thematisiert).
Das Hörspiel – eine schmucklose szenische Lesung – verlässt sich ganz auf seine glanzvolle Besetzung.

Dieser Beitrag wurde unter Hörspiel, Literatur, Rezension abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert