Ein verkapptes Loblied auf den Kunstsinn

betr.: 104. Todestag von Leon Bloy

Leon Bloy ist ein Autor, der mit dem (selbst erlebten) Entsetzen seinen Schabernack treibt – die sind mir am liebsten. In seiner Kurzgeschichtensammlung „Blutschweiß“ sind die Gräuel des Deutsch-Französischen Krieges, in dessen Verlauf die Texte entstanden, allzeit gegenwärtig. Aber oftmals vernehmen wir sie nur als Grollen oder Knattern im Hintergrund, treffen wir nur einzelne versprengte Individuen – Zivilisten wie Soldaten -, die diese barbarischen Verhältnisse innerlich oder äußerlich deformiert haben.
Besonders amüsant finde ich „Das Haus des Teufels“. Dieses vereinzelt stehende Gebäude („Edgar Poe hätte kein düstereres Haus ersinnen können.“) wird „Selbst am hellichten Tag“ von den Menschen gemieden und sogar von den Holzfällern seit Generationen respektiert. Zwei Frauen leben darin, eine alte und eine junge. Es sind die Hinterbliebenen eines Malers („ein selbstbewusster, aufrührerischer und unerschütterlicher Versager“), dessen Werk sorgsam bewahrt wird. Die Wände des Speisesaals sind „von oben bis unten mit einer unendlichen Zahl kleiner, entsetzlicher Bilder“ des verstorbenen Künstlers geschmückt, „in der die Natur auf eine Weise beleidigt wurde, die den Dämon, der sie inspiriert hatte, charakterisierte“. Eines der Bilder, auf dem zwei weinende Frauen einander anschauen, „hätte sogar Dante entmutigt“ und wird als der Gipfel des Abscheulichen beschrieben. Wann immer deutsche Soldaten an die Tür des Hauses klopfen, werden sie scheinheilig hereingebeten und – umgeben von dieser Ausstellung – bewirtet. Zu Dutzenden verlieren sie daraufhin den Verstand, fliehen aus dem Haus und stürzen in einen schlecht abgesicherten Brunnenschacht auf dem Grundstück.

Was mich an dieser Geschichte geradezu zärtlich anweht, ist die heftige Reaktion der Menschen auf eine beklagenswerte künstlerische Leistung. Der Autor gesteht damit sogar dem Feind eine Wertschätzung der Kunst an sich und also eine Sensibilität zu, wie sie heute restlos ausgestorben ist.
Ich möchte in den Brunnen hinabsteigen und die Verdammten trösten, die da hinuntergefallen sind.

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