Die wiedergefundene Textstelle: Todesmonolog des Colonel Kurtz

Apocalypse Now
Omni Zoetrope 1979
Produziert von Francis Ford Coppola
Drehbuch: John Milius und Francis Ford Coppola nach Joseph Conrad und T. S. Eliot
Regie: Francis Ford Coppola

Zeit: 1970er Jahre
Ort: Kambodscha

Der Vietnamkrieg tobt. Cpt. Benjamin Willard erhält den Auftrag, im Dschungel nach Colonel Walter E. Kurtz zu fahnden und ihn „auszuschalten“. Kurtz war ein hochdekorierter Offizier, jetzt wird er wegen Mordes und Fahnenflucht gesucht, doch es könnte noch mehr dahinterstecken. Er herrscht als Warlord  über ein kleines abgelegenes Reich und vollzieht an seinen Untertanen „unaussprechliche Rituale“ (Conrad).

Ein Bild aus den besseren Tagen des Colonel Kurtz und seines Darstellers (Foto: Pathé)

Willard folgt dem Nung River flussaufwärts. Als er gegen Ende des Films endlich zu Kurtz durchgedrungen ist, wird er von dessen Männern gefasst und gefoltert. Willard übersteht die Strapazen. Kurtz ist beeindruckt und lässt ihn unbehelligt zu sich vordringen, obwohl er weiß, dass Willard den Auftrag hat, ihn zu töten.

Wir sind die hohlen Männer
Die Ausgestopften
Aufeinandergestützt
Stroh im Schädel. Ach,
Unsere dürren Stimmen,
Leis und sinnlos
Wispern sie miteinander
Wie Wind im trockenen Gras
Oder Rattenfüße über Scherben
In unserm trockenen Keller
Gestalt formlos, Schatten farblos,
Gelähmte Kraft, reglose Geste;
Die hinüber sind, sehenden Auges,
Ins andere Reich des Todes,
Wenn sie an uns denken, denken sie nicht
An gewalttätige verlorene Seelen,
sondern an hohle Männer,
An Ausgestopfte.

Ich habe das Grauen gesehen! Das Grauen, das auch Sie gesehen haben!
Aber Sie haben kein Recht, mich einen Mörder zu nennen. Sie haben das Recht, mich zu töten. Sie haben ein Recht, das zu tun. Aber Sie haben kein Recht, über mich ein Urteil zu fällen!
Es ist unmöglich, mit Worten zu beschreiben, was notwendig wäre für jene, die nicht wissen, was das Grauen bedeutet.
Das Grauen!
Das Grauen hat ein Gesicht. Und Sie haben sich das Grauen zum Freund gemacht. Das Grauen und der moralische Terror sind ihre Freunde. Falls es nicht so ist, sind sie ihre gefürchteten Feinde, sind sie ihre wirklichen Feinde.

Ich erinnere mich, als ich bei den Green Berets war. Es kommt mir vor als wäre es tausend Jahrhunderte her.
Wir gingen in ein Lager, um einige Kinder zu impfen. Wir verließen das Lager, nachdem wir die Kinder gegen Polio geimpft hatten. Und dann kam ein alter Mann hinter uns hergelaufen, und er weinte. Er konnte nicht sehen. So weinte er. Wir gingen ins Lager zurück. Sie waren inzwischen gekommen und hatten jeden geimpften Arm einfach abgehackt. Sie lagen auf einem Haufen. Es war ein Haufen … kleiner Arme … und … ich erinnere mich … ich – ich – ich schrie, ich weinte wie … wie ein altes … Waschweib. Ich wollte mir die Zähne rausreißen, ich wusste nicht mehr was ich tun wollte. Und ich will mich daran erinnern, ich will es niemals vergessen!
Ich will niemals vergessen!
Und dann war mir, als würde ich durchbohrt. Durchbohrt von einer diamantenen … einer diamantenen Kugel direkt durch die Stirn. Und ich dachte: mein Gott, diese Schöpferkraft, dieses Genie, dieser Wille, das zu vollbringen! Vollkommen, unverfälscht, vollendet, kristallen, makellos.
Und dann wurde mir klar, dass sie viel stärker als wir waren, weil sie alles ertragen konnten. Das waren keine Ungeheuer! Das waren Männer, trainierte Einheiten. Diese Männer, die mit ihren Herzen kämpfen, die Familien haben, Kinder, die erfüllt sind von Liebe.
Dass sie die Kraft haben! Die Kraft, das zu vollbringen!
Wenn ich aus solchen Leuten bestehend zehn Divisionen hätte, dann wären wir unsere Sorgen hier rasch los. Denn dazu gehören Männer, die Überzeugungen haben und die dennoch imstande sind, ohne Hemmungen ihre ursprünglichen Instinkte einzusetzen, um zu töten.
Ohne Gefühle, ohne Leidenschaft. Vor allem ohne Strafgericht.
Ohne Strafgericht.
Denn es ist das Strafgericht, das uns besiegt.

Und … falls ich getötet werden sollte, Willard, möchte ich, dass jemand zu mir nach Hause geht und es meinem Sohn erzählt.
Alles.
Alles. Alles, was ich getan habe, alles, was Sie gesehen haben. Denn es gibt nichts, was ich mehr verabscheue als den Gestank von Lügen.
Und wenn sie mich verstehen, Willard, … werden Sie das für mich tun.

Die Rezitation zu Beginn folgt nicht der Synchronfassung sondern der Übersetzung von Hans Magnus Enzensberger.

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