Medienlexikon – Film und Fernsehen: Historienfilm

Der Begriff „Historienfilm“ wird zumeist auf Filme angewandt, die in der Antike spielen: auf den Sandalenfilm oder Monumentalfilm (im Englischen neutraler ‚epic‘ genannt). Sonstige Nacherzählungen geschichtlicher Epochen werden im Sprachgebrauch eher als Kostümfilme (bzw. „Kostümschinken“) bezeichnet oder gleich dem jeweiligen Sujet zugeordnet: Krimi, Abenteuerfilm, Musical etc. (Der ->Western, das beliebteste Genre überhaupt, ist ausdrücklich nicht gemeint, wenn von Historienfilmen die Rede ist.)
Der Sandalenfilm, der seine Blütezeit in Hollywood und im mediterranen Kino der der 50er und 60er Jahre hatte, galt der Fachpresse als „cheesy“, als oberflächliche Unterhaltung. Groucho Marx brachte es auf die vielzitierte Formel: „Ich mag keine Sandalenfilme, weil die Männer da dickere Titten haben als die Frauen!“
Das Publikum sah es etwas Gelassener, doch intern sprach man dieser Sparte generell das Recht ab, uns irgendetwas Wahres oder Authentisches über eine so weit zurückliegende Zeit erzählen zu wollen. „Seriöse“ Filmhistoriker behandelten den monumentalen Film nur ungern, etwa wenn es sich aus der Beschäftigung mit dem Werk eines Filmkünstlers ergab. Sie legten ihm seine Massenszenen und baulichen Extravaganzen als schlechten Geschmack aus, taten ihn als hohles Spektakel ab. Da solche Filme besonders kostspielig waren (wie sämtliche Beiträge zum heutigen Blockbuster-Kino), wurden sie auch pompöser beworben, was als künstlerisch verdächtig galt. Das abfällige Wortspiel historisch/hysterisch funktioniert auch im Englischen. Der für das Studio fast ruinöse Flop von „Cleopatra“ (1962) bestätigte viele in dieser Ansicht, der hintergründige und noch starbesetztere „Spartacus“ (1960) darf als glanzvoller Gegenbeweis gelten.

Der Sandalenfilm ist barock

Ines Bayer klärte das große Missverständnis kürzlich in ihrem Buch über Anthony Mann auf: In der Tendenz ist der Monumentalfilm nicht klassisch, sondern barock.
Mangelndes Zeitkolorit, die glaubhafte Abbildung der damaligen Sprache und Mentalität, wurde anderen historischen Formaten nicht in dieser pauschalen Weise verübelt. Filme, die etwa in der Renaissance, in der Französischen Revolution, im Chicago der Prohibitionsgangster oder im Mittelalter spielten, genossen größere Freiheiten.
Beim aktuellen Nachfolger des Historienfilms, dem historischen TV-Movie, das auch immer häufiger als Serie angelegt ist, spielt Kolorit überhaupt keine Rolle mehr, da sich weder die Macher noch das Publikum (und ärgerlicherweise nicht einmal die Kritiker) für diesen Aspekt interessieren.
Bei „Ku‘damm 56“ oder „Babylon Berlin“ gelten „Authentizität“, stimmige Atmosphäre und gute Recherche bereits als hergestellt, sobald Autos und Kostüme halbwegs den fotografischen Dokumenten nachempfunden sind, die man im Internet findet.

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