Langston Hughes und die Harlem Renaissance

betr.: 121. Geburtstag von Langston Hughes

In den nun ein Jahrhundert zurückliegenden „Roaring Twenties“, dem „Jazz Age“, wird der New Yorker Stadtteil Harlem für die schwarze Bevölkerung Amerikas zum prominentesten Ziel einer „great migration“. Hier liegt eine Aufbruchsstimmung in der Luft, ein Versprechen der Erneuerung, das sich im ganzen Land ausbreitet, dann nach Europa und bis nach Afrika ausstrahlen und schließlich in der afrikanischen Diaspora bis in unsere Tage nachwirken wird.
Mit der Premiere des Musicals „Shuffle Along“* – einer „all-black production“, die den weißen Broadway begeistert und in der Josephine Baker erstmals Aufsehen erregt – beginnt nach heutiger Historikermeinung die „Harlem Renaissance“, ein Aufblühen schwarzer Kultur, das der Westlichen Welt den Jazz und nebenbei die Erfindung einer Vielzahl von Modetänzen wie den Charleston und den Foxtrott bescheren wird. Als ihr wichtigster literarischer Chronist wird sich der Dichter Langston Hughes erweisen.

Langston Hughes kam 1902 in Joplin, Missouri zur Welt. Er wuchs bei seiner Großmutter in Lawrence, Kansas auf. Später zog er mit seiner Mutter nach Cleveland, Ohio. Seinen Vater, einen Juristen, vertrieb der Rassismus im Süden der Vereinigten Staaten nach Mexiko, wo es ihm möglich war zu praktizieren. Seinem Sohn, der bereits schriftstellerische Ambitionen zeigte, ermahnte er, einen „vernünftigen Beruf“ anzustreben und beispielsweise Bergbauingenieur zu werden. Doch als der 19jährige Langston von einem Besuch bei seinem Vater aus Mexiko heimkehrte, schrieb er auf der Zugfahrt das Gedicht „The Negro Speaks of Rivers“. (Ganz recht: diese Selbstbezeichnung war üblich, sie wurde noch von Martin Luther King gebraucht!). Hughes war übrigens „unfortunately not black“, sondern relativ hellhäutig.

Mit 21 Jahren gab Langston Hughes dem Wunsch seines Vaters nach und begann ein Studium der Ingenieurswissenschaften. Er schrieb sich an der Columbia ein, einer New Yorker Eliteuniversität.
“Ich war in Harlem verliebt, lange, bevor ich dort ankam”, schreibt er in seinem Essay „My Early Days in Harlem“. In seiner Autobiographie „The Big Sea“ vermittelt uns Langston Hughes einen Eindruck von seiner ersten Ankunft dort mit der U-Bahn: „Ich ging die Treppe hinauf und hinaus in die helle Septembersonne. Harlem! Ich stand da, ließ meine Taschen fallen, holte tief Luft und fühlte mich wieder glücklich.“ Hier fasste er schon bald den Entschluss, sein Studium abzubrechen und sich ganz dem Schreiben zu widmen.

In seinen Erzählungen können schwarze Figuren die geltenden literarischen Stereotype abschütteln und in komplexen Geschichten agieren. Ihre Sprache wird erstmals schriftlich dokumentiert. Hughes faszinierte das Nachtleben, und auch seine Homosexualität konnte er erstmals ausleben. In seinen Texten verband er klassische Lyrik mit Blues und Jazz. Der Titel des Gedichts „The Weary Blues“ über einen Barpianisten ist Programm, der Blues spielt die Hauptrolle: „a syncopated tune“, „a mellow croon“, „a raggy tune“. Der Pianist versieht seinen Dienst „with his ebony hands on each ivory key“. Nachdem er den Blues gesungen hat, geht der Musiker nach Hause und schläft wie ein Stein. Der Blues lindert seine Schmerzen an Leib und Seele, alles Leid fällt von ihm ab. Der Mann scheint die Melodie aus einem früheren Leben zu kennen. Jetzt ist er in Harlem zu Hause, nicht mehr im ländlichen Süden, sondern in einer Metropole.
Wie Langston Hughes.

H is for the heroin they sell here,
A is for the alleys where kids play,
R is for the rats that run pell-mell here,
L is for the landlords far away.
E is for the endless clean-up projects,
M is for the moldy rooms above.
Put them all together, they spell Harlem,
The place that white folks think we love.

Diese Zeilen stammen nicht von Langston Hughes, sondern von Lee Evans (Songtexter des schimpflich unterschätzten Musicals „Golden Boy“), der einen sarkastischeren Blick auf den berühmten New Yorker Stadtteil wirft.

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* Siehe https://blog.montyarnold.com/2016/05/10/broadways-like-that-8-george-gershwin-und-das-jazz-age/

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